Zukunft der Wirtschaft: Gemeinsam stärker

Während der Pandemie lagen bestimmte Wirtschaftszweige komplett brach – etwa der Tourismus. Anderen hat diese Zeit des radikalen Rückzugs in die eigenen vier Wände genutzt, zum Beispiel Anbietern von Remote-Work-Lösungen. Zwar haben wir das Virus überwunden, doch wir haben fortlaufend mit Krisen zu tun und auch die Wahrscheinlichkeit weiterer Pandemien ist hoch. Wir haben mit Prof. Dr. Thorsten Posselt darüber gesprochen, wie wir unter diesen Bedingungen eine erfolgreiche Zukunft der Wirtschaft gestalten können. Der BWL-Professor und geschäftsführende Institutsleiter des Fraunhofer-Zentrums für Internationales Management und Wissensökonomie erklärt, welche Entwicklungen die Pandemie angestoßen hat und wie wichtig es ist, dass Unternehmen ihre Innovationskraft stärken.

zukunft der arbeit - Thorsten Posselt

Thorsten, die Corona-Pandemie hat die Entwicklung und auch die Zukunft der Wirtschaft weltweit stark beeinflusst. Wie hat sich die Innovationslandschaft in den deutschen Unternehmen seitdem verändert?

Die Bereitschaft, digitale Lösungen zu adaptieren, ist deutlich angestiegen. Es handelt sich dabei aber eher um digitale Lösungen, die das unmittelbare Problem der Kommunikation in einer von der Pandemie geprägten Umgebung adressieren. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Affinität zu generellen Innovationslösungen deutlich gestiegen wäre, auch nicht unbedingt im Bereich IT. Die Lösungen zu Künstlicher Intelligenz (KI) oder generell digitale Lösungen haben nach Beobachtung der Forschenden des Fraunhofer IMW in Leipzig keinen großen Auftrieb erfahren. Auch nicht in der Zeit nach der Pandemie. Das ist eine spannende Ambivalenz.

Wie hat sich die Pandemie auf die Einstellung und den Umgang mit Risiken in Bezug auf Innovationen ausgewirkt?

Wir wissen, dass diese Risiken da sind, aber wir haben auch gelernt, dass sie nicht originär mit Innovation zu tun haben. Die Pandemie selbst hat dazu geführt, dass bestimmte Dinge einfach nicht mehr liefen. Das hat bestimmte Industriebranchen stark getroffen, anderen hat es genutzt. Über diese Risiken müssen wir uns klar sein, denn es könnte sein, dass sich eine solche Pandemie innerhalb der nächsten 20 bis 30 Jahre wiederholt. Diese Wahrscheinlichkeit liegt nach verschiedenen Schätzungen bei 20 bis 30 Prozent.

Der aktive Umgang mit Innovation ist eine Maßnahme, um Risiken zu vermindern. Das bedeutet natürlich nicht, dass Innovationen per se risikolos wären, aber ich würde dafür werben, sich mit dem Thema zu beschäftigen. In vielen Industriebranchen wissen wir noch nicht, wo es jetzt hinläuft: Wie wird sich die Luftfahrt entwickeln? Wie der Tourismus weltweit? Wie geht es mit der IT-Branche oder der Halbleiterindustrie weiter? Sehen wir einen dauerhaften Anstieg oder war der Schub durch die Pandemie ein einmaliger?

Außerdem haben wir durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ein weiteres Risiko hinzubekommen. Geopolitische Entwicklungen werfen die Frage auf, welche Märkte stärker risikobehaftet sind, als wir das noch vor zwei, drei oder vier Jahren eingeschätzt hätten. Was bedeutet die geopolitische Lage für die deutsche Autoindustrie oder die Werkzeugmaschinenindustrie? Das sind alles, glaube ich, ganz wesentliche geoökonomische Fragen, die wir nicht abschließend beantwortet können. Aber wenn wir Innovation als eine Handlungsoption mitdenken, eröffnet sich eine Möglichkeit, diese Risiken zu vermindern.

Welche neuen Ansätze oder Strategien haben die Unternehmen entwickelt, um Innovation in der post-pandemischen Zeit voranzutreiben?

Es gibt langfristige Trends, die eine Rolle spielen. Ich denke zum Beispiel an die Verbindung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Wir befassen uns am Fraunhofer IMW vor allen Dingen mit Wissens- und Technologietransfer. Aus Sicht der Unternehmen fällt auch manchmal das Stichwort Innovations-Absorption. Dahinter verbirgt sich eine Riesenchance: Wie können Unternehmen die Fortschritte im Nachhaltigkeitsbereich aufnehmen und zu neuen Geschäftsmodellen machen – und zwar möglichst schnell? Wir reden schon lange über das Open-Innovation-Phänomen. Dahinter verbirgt sich ein breites Spektrum von Möglichkeiten, wie Unternehmen Innovationen offen gestalten können.

Dass sie einfach Informationen von außen aufnehmen – das passiert bereits vielfach. Diese neue Offenheit kann zum Beispiel zur Einbindung in Innovationsökosysteme führen. Unternehmen haben zunehmend verstanden, dass sie die wirklich großen Würfe, bei denen sie vorankommen wollen, nicht unbedingt allein machen können. Sie brauchen dafür vielmehr die Umgebung, in der sie sich konstruktiv einbringen und gemeinsam weiterentwickeln können. Diese Umgebung kann aus ganz vielen einzelnen Firmen, aber möglicherweise auch aus Forschungseinrichtungen und Universitäten bestehen.

Hier können Unternehmen nicht nur Wissen, sondern auch junge Leute gewinnen, die bestimmte Einflüsse mitbringen. Daher müssen sich Führungskräfte mit Innovationsökosystemen beschäftigen, um zu verstehen, wie sie sich entweder regional oder in Bezug auf ihr Produkt so aufstellen können, dass sie verstehen, wie sie sich verhalten und profitieren können.

Die Absorptionskompetenz ist die Fähigkeit einer Organisation, externes Wissen, Innovationen, Ideen und Informationen zu finden, zu bewerten, zu integrieren und nutzbar zu machen. Diese Fähigkeit umfasst Technologie- und Prozesskompetenzen, die zudem in eine Innovationskultur eingebettet sein müssen. Die Kosten hierfür werden häufig unterschätzt. Denn nicht nur die Eigenentwicklung von Innovationen verursacht Kosten, auch die Absorption erfordert einen hohen internen Aufwand und Einsatz von Ressourcen.

Welche Rolle spielen neue Technologien und digitale Transformation bei der Förderung von Innovation?

Ich denke, dass sie eine sehr große Rolle spielen. Das hängt damit zusammen, dass die Technologieentwicklung, und das sehen wir vor allem in der Fraunhofer Gesellschaft, an Geschwindigkeit gewonnen hat. Die Frage ist, wie können Unternehmen möglichst rasch verstehen, was da läuft und ihre Chancen ausloten? Was können sie kommerziell in welcher Art und Weise nutzen? Was ist tatsächlich auf einem großen Markt realisierbar? Hier liegt eine sehr große Übersetzungsaufgabe. Unternehmen haben eine neue Erfindung, die sie in ein marktfähiges Produkt oder eine marktfähige Dienstleistung umwandeln möchte. Dabei müssen sie den Markt im Blick haben. Das Marktumfeld sollte sehr attraktiv sein, damit sich der Entwicklungsprozess lohnt, der sich nicht beliebig abkürzen lässt. Die Tatsache, dass wir in sehr enger Taktung, neue technologische Möglichkeiten und Fortschritte beobachten können, legt nahe, diesem Prozess eine größere Aufmerksamkeit zu widmen: Kann das Unternehmen einen solchen Prozess möglichst rasch durchlaufen? Das ist ein Thema, das auch für unser Institut, das Fraunhofer IMW, sehr interessant ist.

Welche Veränderungen hast du in Unternehmen gesehen, um eine Innovationskultur zu fördern?

Wir müssen mitdenken, dass momentan viele Menschen altersbedingt aus den Unternehmen ausscheiden, die Babyboomer. Gleichzeitig wissen wir, dass die Studierendenzahlen an den Universitäten sinken. Die Generation, die nachfolgt, ist ganz offensichtlich zahlenmäßig kleiner und noch dazu mit anderen Werten aufgeladen, was eine große Herausforderung ist. Wie manage ich das als Unternehmen? Es stellt sich die Frage, wann ist ein Arbeitsplatz eigentlich attraktiv? Daher müssen wir neu nachdenken. Was ist das Angebot seitens der Unternehmen an junge Menschen, die jetzt in die Arbeitswelt eintreten?

Ein Teil der Antwort kann sein, dass wir eine Kultur der Innovation, der Aufgeschlossenheit, der Offenheit brauchen. Alle diese Faktoren begünstigen auch Innovationen. Wir wissen, dass sie immer dort zustande kommen, wo sich Menschen begegnen, austauschen, inspirieren und wo es gelingt, angstfreie Umgebungen zu schaffen. Auf Basis dieser Grundorientierung ist die Zusammenarbeit mit Start-ups ein neuer Weg der Innovation. Es war vor 20 oder 30 Jahren in Deutschland kein Thema, dass junge Leute auf die Idee kamen, selbst ein Unternehmen zu gründen. Heute ist das schon etwas häufiger der Fall.

Daher fragen sich große Unternehmen und Mittelständler, wie sie mit Start-ups systematisch zusammenarbeiten können – wohlwissend, dass es eine kulturelle Lücke zu überwinden gilt. Wenn große Unternehmen mit Start-ups zusammenarbeiten, müssen sie sich Infrastrukturen überlegen. Das kann ein Gebäude sein und bestimmte Regeln. Die Zusammenarbeit kann auch intern passieren. Große Unternehmen, schaffen intern Räume, um unternehmensinterne Startups zu kultivieren. So können sie auch den Bogen schaffen, von neuen zu älteren Mitarbeitenden.

Prof. Dr. Thorsten Posselt ist geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer-Zentrums für Internationales Management und Wissensökonomie sowie Professor für Innovationsmanagement und Innovationsökonomik an der Universität Leipzig. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt/ Main und an der Stanford University, USA. Von 2000 bis 2005 war er Professor für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Dienstleistungsmanagement an der Universität Leipzig. Anschließend war er sechs Jahre Professor für BWL, insbesondere Handel, Service Management und E-Commerce an der Bergischen Universität Wuppertal. 2008 übernahm er die Leitung des Fraunhofer MOEZ in Leipzig.

Wie können Unternehmen den Erfolg Ihrer Innovationsbemühungen messen – und welche Metriken werden dabei verwendet?

Schwierige Frage. Grundsätzlich ist es so, dass wir die Ausgabenseite relativ genau erfassen können, das heißt, wieviel Ressourcen verwenden wir für etwas. Aber das sagt noch nichts über den Erfolg aus. Wir müssen schauen, welche neuen Produkte haben wir und wie haben wir sie produziert? Welche neuen Dienstleistungen haben wir?

Dann schauen wir, wie sind die Zahlen im Vergleich zu älteren Produktvarianten von vor drei, vier oder fünf Jahren? Das können wir schon gut tracken, und uns ein Bild davon machen, ob es funktioniert hat. Dann müssen sich die Unternehmen immer wieder selbst überprüfen, ob die Veränderung die Mühe und den Aufwand wert war. Das alles ist monetär nicht so ohne weiteres bezifferbar. Im Falle von Verfahrensinnovationen, also Veränderungen im internen Prozess der Leistungserstellung, ist eher eine interne Impact-Analyse sinnvoll.

Thorsten, vielen Dank für das Gespräch!

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