Digitale Ethik: Verantwortung in der Digitalisierung

Technische Möglichkeiten entwickeln sich schneller, als wir regeln können, wie wir mit den damit verbundenen Chancen und Risiken umgehen wollen. Das merken wir derzeit an der Diskussion über ChatGPT. Lehrende an Schulen und Universitäten sind alarmiert, denn Abiturienten haben bereits dank der neuen KI geschummelt. Auf der anderen Seite stehen jene, die ihre Jobs aufgrund der technischen Entwicklungen bereits wegrationalisiert sehen. Daher haben wir viele Gründe, uns JETZT Gedanken zu machen, wie wir die Verheißungen der Digitalisierung nutzen können – ohne dabei unsere soziale und umwelttechnische Verantwortung aus dem Blick zu verlieren. Wie das gelingen kann, weiß Jakob Wößner, Experte für Digitale Ethik beim Naturkosmetik-Hersteller Weleda.

Jakob Wößner digitale ethik

Jakob, was verstehst du unter dem Begriff „Digitale Ethik“ und welche Rolle spielt diese in der digitalen Transformation?

Digitale Ethik steht für mich für eine bewusste Entscheidung, was wir in der Digitalisierung machen – und was wir nicht machen. Basierend auf Werten sollten wir uns viel häufiger die Frage stellen, wie wir mit den Daten umgehen, wie mit Algorithmen, wie mit den Ressourcen und ob das nicht viel mehr unter den Wertekontext gestellt werden muss. Die bewusste Entscheidung für Werte ist das, was ich unter Digitaler Ethik verstehe. Die Frage, welche Rolle sie in der digitalen Transformation spielt, zeigt bereits das Grundproblem: Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, nach sozialen und umwelttechnisch verantwortungsvollen Kriterien zu handeln. Dass die Rolle Digitaler Ethik thematisiert wird, zeigt, dass die Diskussion über Werte in der Digitalisierung viel zu kurz gekommen ist. Daher sollten wir nicht über die Rolle, sondern über die Selbstverständlichkeit von Digitaler Ethik in der Digitalisierung sprechen.

Wie können Unternehmen sicherstellen, dass ihre digitalen Aktivitäten im Einklang mit ethischen Standards und dem Schutz von Mensch und Natur stehen?

Das hat für mich zwei Facetten. Einerseits braucht jedes Unternehmen für sich ein Werteverständnis und Prinzipien, die den eigenen Handlungsrahmen vorgeben. Viel interessanter ist aber tatsächlich, was sind die Normen und die Prozesse, und wo kommen diese Regeln zur Anwendung? Wenn wir diese wirklich in unsere Prozesse, beispielsweise in Projekte, in Lieferanten, in Kundenbeziehungen, integriert haben, werden die Werte auch wirksam. Nur so können wir sicherstellen, dass wir nicht in Greenwashing enden, sondern vielmehr unsere Geschäftsbeziehungen ethisch einwandfrei gestalten.

Jakob engagiert sich für eine verantwortungsvolle Digitalisierung im Einklang mit Mensch und Natur. Als Manager für Organisationsentwicklung und Digitale Transformation ist er Beschleuniger für den kulturellen und strukturellen Wandel bei der WELEDA AG. Weleda steht für ganzheitliche Naturkosmetik und anthroposophische Arzneimittel. Jakob ist Vorsitzender im Ressort Digital Responsibility des Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). Er baut das Netzwerk für Corporate Digital Responsibility (CDR) aus, entwickelt die CDR Building Bloxx weiter und ist als Jury-Präsident für den CDR Award 2023 tätig.

Welche Maßnahmen ergreifen Unternehmen, um die Auswirkungen ihrer digitalen Aktivitäten auf die Umwelt zu minimieren?

Wir müssen bewusste Entscheidungen beispielsweise über den Lebenszyklus unserer Geräte treffen. Was soll mit unserer Hardware, Software, unseren Telefonen, Smartphones und Laptops passieren, wenn wir sie nicht mehr benutzen? Wir könnten sie spenden. Beispielsweise könnten wir unsere Hardware an ein Social Business weitergeben, das sie professionell als Gebrauchtgerät wieder in den Kreislauf zurückspielt, und darüber hinaus Menschen in der Inklusion Arbeitsplätze anbieten könnte. Das ist ein schönes Beispiel für eine Selbstverpflichtung. Ich finde, bei unserer Verantwortung für die Natur reicht es nicht aus, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend hinterherzulaufen. Die Unternehmen müssen anfangen, sich in ihrem Werteverständnis für die Natur und Ressourcenschonung zu verpflichten.

Wie können Unternehmen sicherstellen, dass sie bei der digitalen Transformation nicht nur auf technologische, sondern auch auf ethische Aspekte achten?

Bei Weleda ist das digitale, ethische Handeln im Leitbild der Digitaltransformation festgeschrieben. Wir sehen die Digitalisierung nicht als eine technologische, sondern als eine soziale und gesellschaftliche Entwicklung, die wir mit einer ganz anderen Art von Wirtschaften, von Handeln, von gesellschaftlichem Agieren verbinden. Dementsprechend ist unser Blick auf Digitalisierung kein technologisches oder kein rein technologisch geprägtes Weltbild. Stattdessen haben wir immer den Menschen und die Natur mit im Blick.

Wie wichtig ist die Einhaltung von Datenschutz und Sicherheitsstandards für Unternehmen bei der Nutzung von digitalen Technologien?

Das ist eine absolute Grundvoraussetzung! Sonst ist die Glaubwürdigkeit der Nutzbarkeit von Daten und auch das Vertrauen von Verbrauchern in das Unternehmen fundamental erschüttert. Daher gibt es für mich keinen anderen Weg, als Datenschutz und Sicherheitsbestimmungen einzuhalten. Das ist ein absolutes Muss.

Was können Unternehmen tun, damit ihre digitalen Aktivitäten nicht zu einer weiteren Kluft zwischen Gesellschaften und Ländern führen?

Meiner Meinung nach kann diese Kluft nur mit ganz viel Aufklärung, Information und Dialog geschlossen werden. Es ist wichtig, dass wir erst einmal dieses komplexe Instrumentarium digitaler Aktivitäten verstehen. Dass wir wissen, was genau passiert, und wir in einem gemeinsamen Dialog gute Lösungen für die Gesellschaft finden, die sie auch wirklich akzeptiert. Wenn wir es schaffen, diesen Dialog zu fördern, ist das für alle eine gute Entwicklung.

Wie können Unternehmen dafür sorgen, dass ihre digitalen Aktivitäten nicht zu einer weiteren Verschlechterung der psychischen Gesundheit der Menschen führen?

Unternehmen müssen bewusst auf den Menschen achten und seine psychologische Gesundheit im Auge behalten. Sie müssen bewusst Angebote schaffen, die auch fernab der Digitalisierung zu einer guten Balance physischen und psychischen Gesundheit führen. Das müssen natürlich ernsthaft gemeinte Unterstützungsangebote sein. Dann ist meiner Meinung nach der Weg geebnet, um Gesundheit für alle Menschen zu ermöglichen.

Wie wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Regierungen, um die digitale Ethik und Unternehmensverantwortung zu fördern?

Ich denke, dass digitale Ethik nur in der Kombination von Politik, Wirtschaft, Forschung, Entwicklung, Gesellschaft, aber auch Universitäten sinnvoll und gut gestaltet werden kann. Wir brauchen nicht nur die Politik, sondern noch viel mehr weitere Spieler hier am Tisch, damit wir in einem gemeinsamen gesellschaftlichen Dialog zu einer guten Lösung kommen.

Welche Auswirkungen haben die zunehmende Digitalisierung und die damit verbundenen ethischen Herausforderungen auf die zukünftige Arbeitswelt – und welche Rolle spielen Unternehmen dabei?

In der zukünftigen Arbeitswelt ist die Digitalisierung ein integraler Bestandteil. Sie wird nicht mehr wegzudenken sein, da sich die Art zu kommunizieren, die Art des Lernens, des Interagieren und des Wirtschaftens bereits so massiv verändert hat, dass die Digitalisierung ein integraler Bestandteil sein wird, mit dem wir einen guten natürlichen Umgang finden müssen. Wir müssen aber auch eine gute Distanz entwickeln, indem wir nicht nur alles annehmen, sondern in einem bewussten Dialog auch im Unternehmen bewusst die Grenzen ziehen und Bereiche definieren, in der Digitalisierung nichts zu suchen hat. Ein Beispiel wäre die Interaktion mit sozialen Kontakten, bei der die physische Präsenz im Vordergrund steht. Wir müssen unsere realen Offline- sowie Online-Szenarien in der Arbeitswelt so gestalten, dass wir die Vorteile von beiden Welten nutzen können.

Jakob, vielen Dank für das Gespräch!

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