Neulandia: so geht Coworking auf dem Land
Jonas im interview zu Neulandia – Coworking auf dem land
Jonas, was hat dich dazu inspiriert, bei Neulandia mitzumachen? Das Projekt umfasst sicherlich nicht nur eine Arbeit und eine Form von New Work, sondern ist vielmehr eine Lebensphilosophie…
Was mich antreibt ist eine nachhaltige, sozial und ökologische Transformation. Ich habe einen Bachelor in Sozialarbeit und im Studium schon bald gemerkt, dass Wohnraum ein wahnsinnig wichtiger Faktor ist. Wenn wir den Wohnraum anders gestalten, ihn beleben und öffnen, ist das für alle gut. Wenn wir Gemeinschaft fördern, hat das viel Potential – auch in ökologischer Hinsicht. So müssen nicht alle ein eigenes Auto haben. Auch muss der individuelle Wohnraum nicht riesig sein, wenn wir Gemeinschaftsflächen haben. Was Neulandia ausmacht, ist das gemeinschaftliche Netzwerk landbegeisterter Menschen, die sich gegenseitig unterstützen.
Bist du auch von der Stadt ins KoDorf gezogen? Oder wie ist deine Arbeitssituation?
Ich bin damals mit meiner Familie in eine Genossenschaft in München gezogen und habe dort die Vorteile vom gemeinschaftlichen Wohnen zu schätzen gelernt. Das hat auch meine Studienauswahl beeinflusst. Nach dem Bachelor in Sozialarbeit habe ich angefangen, mich mit nachhaltiger Stadtentwicklung zu beschäftigen. Ich mache gerade meinen Master in „Urbane Zukunft“ an der Fachhochschule Potsdam. So bin ich zu Neulandia gekommen. Zwischendurch habe ich kurz in Berlin gelebt, aber momentan wohne ich in Dresden in einer kleineren Wohngemeinschaft. Ich kann mir aussuchen, wo ich lebe, weil wir remote arbeiten. Das ist ganz praktisch. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann ich selbst in einem größeren gemeinschaftlichen Projekt wohnen werde – ob das in einem Ko-Dorf sein wird oder in einem anderen Projekt, ist noch offen.
Wie verändert sich der Arbeitsalltag für Menschen, die sich für Neulandia entscheiden und so der New-Work-Bewegung beitreten?
Viele arbeiten ohnehin remote und wenn sie kommen, bringen sie ihre Laptops mit. In Hinblick auf die Arbeit verändert sich dann erstmal gar nicht so viel. Das Konzept ist sicherlich etwas, das insbesondere Menschen aus dem Digital- und Kreativsektor anspricht. Aber davon abgesehen kann sich das Leben im KoDorf oder im Rahmen eines Summer of Pioneers sehr verändern. Allein schon durch die sozialen Kontakte. Auch findet das Leben eher in der Natur statt. Es ist insbesondere etwas für Leute, die nicht überwiegend vor Ort arbeiten müssen oder wollen, aber trotzdem nicht auf eine gewisse Gemeinschaft verzichten wollen. Sie suchen sich im weitesten Sinne ihre Gemeinschaft selbst aus. Sie verbringen weniger analoge Zeit mit ihren Kolleg:innen, sondern eher mit ihren Nachbar:innen – und das in einer schönen Lebensumgebung auf dem Land. Es entstehen spannende Projekte vor Ort, in denen sich die Menschen ehrenamtlich engagieren – im Sinne einer nachhaltigen Regionalentwicklung.
Was genau ist ein Summer of Pioneers?
Wir haben ein innovatives Projekt für neues Leben und Arbeiten auf dem Land, das heißt Summer of Pioneers. Wir bieten Probewohnen und Co-Working auf dem Land an. Im Rahmen eines Wettbewerbs wählen wir gemeinsam mit einer Gastgeber-Kommune 20 Kreative aus, die ein halbes Jahr das Leben auf dem Land testen können. Für einen geringen Betrag bekommen sie ein Rundum-Sorglos-Paket, das aus möblierten Wohnungen, einem Co-Working-Space und einer Community aus Kreativen und Digitalarbeiter:innen besteht. Die ehrenamtlichen Aktionen, die im letzten Jahr im Rahmen unser Summer of Pioneer Projekte gemeinschaftlich durchgeführt wurden, sahen sehr unterschiedlich aus. Es werden einmalige Projekte, wie z.B. Filmvorstellungen entwickelt, aber auch langfristige Projekte, die über den Summer of Pioneers hinauswirken. In Wittenberge zum Beispiel haben ehemalige Pioniere die elblandwerker gegründet, eine Art Agentur für Willkommenskultur. Andere Teilnehmer:innen wiederum gründeten dort den Stadt-Salon Safari in einem vormals leerstehenden Ladengeschäft. In Herzberg ist der Co-Working und Maker Space 3Horizonte entstanden. In Mittweida wurde diesen Sommer zusammen mit den Bürger:innen eine brachliegende Fläche in der Innenstadt zu einem Gemeinschaftsgarten umgewandelt. Insgesamt haben die Pioniere nicht nur weit über 100 Veranstaltungen organisiert. Es sind auch rund zwanzig größere Projekte entstanden, die sich verstetigen konnten. Im Kern geht es dabei immer darum, neue Begegnungsorte zu schaffen – für alle, egal ob frisch zugezogen oder seit Generationen vor Ort verwurzelt.
Was vielleicht auch noch wichtig wäre, zu wissen: Wie beeinflusst denn eine Teilnahme am Projekt Neulandia die Beziehung zu Partner:innen und Familie?
Die meisten der Teilnehmenden sind zwischen 30 und 40 Jahre alt. Sie sind bereits in ihrem Job angekommen und wollen jetzt nochmal was Neues machen. Das sind Leute, bei denen eine Veränderung gerade gut in ihr Lebenskonzept passt. Entweder bringen sie ihre Familie mit, aber viele haben auch noch keine Familie gegründet. Sie möchten sich anders aufstellen im Leben – und nutzen die Gelegenheit, es nicht allein tun zu müssen. Das spricht insbesondere Leute aus der Großstadt an, die diese Art von Gemeinschaft vermissen, etwa dass man sich zufällig auf der Straße trifft. Viele sind einfach auch genervt vom Leben in der Stadt, empfinden es als zu stressig und anonym. Als sie jünger waren, war es vielleicht noch spannend. Irgendwann werden andere Faktoren wichtiger – wie Natur, Fußläufigkeit, zufällige Begegnungen.
Inwiefern bereichert so eine Community, wie sie bei Neulandia gelebt wird, den Alltag – auch in Hinblick auf New Work?
Es hängt natürlich sehr von den Individuen ab. Zum einen haben wir den Summer of Pioneers, zum anderen haben wir die KoDörfer, die noch im Entstehen sind. Beispiel KoDorf Wiesenburg: Dort gibt es bereits eine Community. Die Leute, die dorthin ziehen werden, kennen sich schon alle – was natürlich super ist. Wir richten dort ein altes Sägewerk her, das wir als Gemeinschaftsfläche anbieten wollen. Das ist ein Ort, wo die Leute gemeinsam arbeiten können – mit ihrem Laptop wie in einem Coworking Space. Sie haben also immer Zugang zu Menschen, um sich auszutauschen. Das ist, glaube ich, wahnsinnig wertvoll. Und wenn man eben keine Lust auf Menschen hat, zieht man sich in seinen eigenen Bereich zurück. Aber grundsätzlich finden die Menschen leichter Mitstreiter:innen, wenn sie irgendetwas umsetzen wollen. Das ist der Vorteil, wenn man gemeinschaftlich lebt – die Solidarität. Man kann sich gegenseitig unterstützen, auf die Kinder der anderen aufpassen. Vielleicht gibt es Leute, die schon etwas älter sind und deren Enkel woanders leben, die aber Lust haben, ihre Zeit mit Kindern zu verbringen. Davon profitieren dann alle. Es ist viel denkbar. Am Ende kommt es immer darauf an, was die Menschen daraus machen. Es sind die Rahmenbedingungen geschaffen, die ganz viele Solidaritätsaspekte enthalten. Die Menschen sind nicht auf sich allein gestellt, sie können sich gegenseitig Sachen ausleihen und sich unterstützen.
Was würdest du jemandem raten, der mit dem Gedanken spielt, dem Leben in der Stadt den Rücken zu kehren?
Wer mit dem Gedanken spielt, sich zu verändern, aber unsicher ist, ob dieses Leben im ländlichen Raum das richtige ist, sollte es einfach erstmal ausprobieren. Probewohnen – entwederKlicken Sie hier, um Text einzugeben. im Rahmen eins Summer of Pioneers – oder auch unabhängig von Neulandia. Oft sind die gemeinschaftlichen WohnprojekteKlicken Sie hier, um Text einzugeben. so ausgelegt, dass manKlicken Sie hier, um Text einzugeben. für einen geringen Betrag oder auch kostenlos probewohnen darf und im Gegenzug bei den Projekten mithilft. Was ich auf jeden Fall nicht machen würde: Hals über Kopf die Stadt zu verlassen, sondern das erstmal ausprobieren. Das können die Menschen auch mit einem Urlaub kombinieren und schauen, ob sich das für sie schon mal richtig anfühlt. Es gibt aber nicht das eine Landleben, je nach Ort und Menschen, kann das Leben in ländlich geprägten Regionen sehr unterschiedlich sein, genauso wie in der Stadt auch.
Wie gehen die Menschen mit den Herausforderungen um, die das Landleben mit sich bringen? Etwa die langen Wege, die Abwesenheit von kulturellen Einrichtungen oder Einkaufsmöglichkeiten?
Ich verstehe, wenn Leute strukturarme Regionen verlassen. Stichwort: Arbeit, Mobilität. Kultur. Das wollen wir auch nicht beschönigen. Aber wir denken, neben diesen Herausforderungen hat der ländliche Raum, wenn gewisse Rahmenbedingungen stimmen, das Potential für ein erfüllendes Leben und Arbeiten. Diese Rahmenbedingungenversuchen wir zu entwickeln indem soziokulturelle Begegnungsorte und Gemeinschaftswerkstätten entstehen.
Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit und Umweltschutz bei eurem Konzept?
Nachhaltigkeit ist uns ein wichtiges Anliegen – insbesondere in Bezug auf Energieeffizienz und wohngesundes Bauen. Beispielsweise revitalisieren wir das seit der Wende leerstehende Sägewerk in Wiesenburg. Zudem wollen wir möglichst viele Dinge teilen und eine nachhaltige Mobilität ermöglichen. Die Wohngebäude werden in Holzbauweise gebaut und es gibt drei Versionen. Außerdem ergeben sich durch die Gemeinschaftsflächen Flächen-Einsparungen bei den Wohneinheiten.
Was sind die Pläne für die Zukunft von Neulandia? Habt ihr Ideen für Innovationen?
Wir sind immer auf der Suche nach neuen innovativen Modellprojekten im ländlichen Raum. Was uns gerade umtreibt, ist die Tatsache, dass es eigentlich genug Wohnraum gibt, dieser nur falsch verteilt ist. Ich mache das an der klassischen Geschichte fest: Eine Familie kauft ein Einfamilienhaus, weil sie mehr Platz für Kinder braucht. Aber nach zwanzig Jahren verändert sich die Situation. Die Kinder ziehen aus, vielleicht trennt sich das Paar, und dann ist nur noch ein Mensch in diesem Einfamilienhaus. Es wäre also viel Platz für weitere Personen in diesem Haus und wir überlegen, wie wir da vermitteln können, um diesen verdeckten Wohnraum zu nutzen. Es gibt Menschen, die wollen gar nicht allein leben. Vielleicht können wir für sie eine tolle Lösung finden.
Vielen Dank für das Gespräch, Jonas.