Künstliche Intelligenz wird keine Jobs vernichten 

Künstliche Intelligenz löst bei vielen Menschen zwiespältige Gefühle aus: Wie sicher ist mein Arbeitsplatz, wenn die KI schon so weit vorgeschritten ist? Doch aus Sicht unseres DIGICON24-Speakers Kai Gondlach sind diese Bedenken unbegründet. Der renommierte Zukunftsforscher sieht viele Chancen für die Menschheit. Sein Credo: KI wird mithelfen, das Problem Fachkräftemangel zu lösen, aber keine Jobs kosten. Stattdessen erwartet er vielmehr das Ende langweiliger Routineaufgaben, für die die menschliche Arbeitskraft viel zu kostbar ist. 

Künstliche Intelligenz

Kai Gondlach im Interview über die künstliche Intelligenz aus Sicht der Zukunftsforschung 

Die allerwichtigste Message ist, dass KI aus volkswirtschaftlicher Perspektive keinen einzigen Job vernichten wird. Sie ist vielmehr eine Lösung, um den Mangel an Menschen auszugleichen und die Produktivität im zweistelligen Prozentbereich zu steigern. 

Kai, was war dein erster Kontakt mit Künstlicher Intelligenz?  

Das war vermutlich im Alter von 10, 11 oder 12 Jahren, als der Film „Matrix“ ins Kino kam.  Das ist sicherlich nicht die Art KI, von der wir reden, diese Science-Fiction-KI, aber das hat mich sehr begeistert. Ich habe diesen Film inzwischen mehr als 70-mal geschaut. Damals hat das ein bisschen dazu beigetragen, dass ich in die Programmierer-Szene abgerutscht bin. Ich habe Programmieren gelernt und mich erstmalig mit Coding beschäftigt. Dazu habe ich mir einen – aus heutiger Sicht – ultralangsamen Computer gekauft, und dann gemerkt: Wow, damit geht schon ganz viel! Trotzdem habe ich mich später für einen anderen Weg entschieden, und mich mehr aus akademischer Sicht und als Zukunftsforscher der KI angenähert. Als ich vor zwölf Jahren mit dem Studium begann, war die Künstliche Intelligenz schon eines der großen Themen, allerdings weniger in technischer Hinsicht. Es ging mehr um die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen von KI. Vertieft beschäftige ich mich mit dem Thema, seit ich mich vor fünf Jahren selbständig gemacht habe. 

Wofür setzt du KI in deiner täglichen Arbeit ein?  

Das könnte eine sehr lange Liste werden, denn jedes Mal, wenn wir bei Google Maps eine Route eingeben, verwenden wir bereits KI. Schon im privaten Bereich gibt es so viele Sachen, die wir heute tun und bei denen uns nicht in den Sinn kommt, dass es sich dabei um KI handelt. Viele moderne Smartphones haben eine Gesichtserkennung, um das Gerät zu entsperren. Auch dort steckt KI drin.  

ChatGPT verwende ich gar nicht so regelmäßig, denn es gibt viele andere Tools. Zwei Plattformen benutze ich gern: Die eine heißt Futurepedia.io und die andere ist There’s An AI For That (TAAFT). Beide Tools sind öffentlich zugänglich. Dort kann ich einen Chatbot anfordern, der wissenschaftliche Quellen analysieren und zusammenfassen kann. In bestimmte Fachgebiete, die ich nicht immer auf dem Schirm habe, kann ich dann schneller eintauchen.   

ChatGPT gibt es erst seit etwa einem Jahr, aber vorher hatten wir bereits GPT, und somit seit Jahren die Möglichkeit, KI auszuprobieren. Auch ein deutsches Tool ist unter den Modellen, das nennt sich Aleph Alpha. Diese Modelle erfordern allerdings einen sehr schnellen Rechner. Selbst der schnellste Rechner, den es zum handelsüblichen Preis von 2 bis 3000 Euro gibt, braucht sehr lange, um ein Ergebnis zu generieren. Das ist der große Unterschied von ChatGPT.

OpenAI und Google haben eine gigantische Erfahrung mit sehr großer Rechenleistung. Daher ist ChatGPT so schnell. Ich habe mir ein eigenes ChatGPT gebaut, ein KaiGPT. Wenn ich dort etwas eingebe, dann ist das auf meinen Stil trainiert, aber es dauert leider unendlich lange. Selbst kleine Texte brauchen einige Stunden – und das ist sehr nervig.  

Bei vielen anderen Tools, die ich als Unternehmer etwa für meine Buchhaltung nutze, steckt auch KI. Ich arbeite mit einer Liquiditätssoftware, in die ich meine Finanzdaten eingebe, meine Einnahmen, meine Ausgaben, usw. Auch die arbeitet mit KI, die eingehende oder ausgehende Zahlungen automatisch klassifizieren kann. So kann ich mir schnell einen Überblick über meine Finanzen verschaffen und Szenarien für die nächsten drei, 12 oder 24 Monate simulieren.  

Mehr zu Kai Gondlach

Kai Gondlach ist akademischer Zukunftsforscher, Buchautor, Keynote Speaker, Coach, Podcaster und Gründer des Zukunftsinstituts PROFORE in Leipzig.  Er hat sich auf die strategische Vorausschau spezialisiert, aber auch auf Nachhaltigkeit und Künstliche Intelligenz. Kai arbeitet auch im Umfeld der UNESCO und dem Club of Rome an der Umsetzung wichtiger Zukunftsthemen. Er hat Soziologie, Politik und Verwaltung an der Universität Potsdam und Zukunftsforschung an der Freien Universität Berlin studiert. 

Wo siehst du den größten Nutzen Künstlicher Intelligenz?  

KI ist die logische Folge der Digitalisierung und lange absehbar. Seit knapp 70 Jahren gibt es den Begriff „Künstliche Intelligenz“, der im Übrigen irreführend ist. Wir arbeiten weder zu 100 % künstlich, noch ist dieses Teil in irgendeiner Form intelligent. Als die ersten Personal-Computer in den 80er Jahren in die Büros kamen, also nicht die bei der NASA oder den Börsen, hat das interessanterweise nicht dazu geführt, dass die Produktivität nennenswert gestiegen wäre. Im Gegenteil. Anders als in anderen Phasen der Industrialisierung ging die Produktivität zurück.

Trotzdem sagen alle Studien der großen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Forschungsinstitute zur Produktivitätssteigerung von KI: Klug angewendete KI wird in den nächsten zwei bis drei Jahren erstmals zu einem Digitalisierungs-korrelierten Anstieg der Produktivität führen.  

Das kommt zur richtigen Zeit. Mit dem Fachkräftemangel in Deutschland wird es für Arbeitgeber immer schwieriger, Personal zu finden. Daher haben sie die Hoffnung, dass manche Tätigkeiten durch Technologie unterstützt erledigt werden können. Sie haben weniger den Ansatz, möglichst viele Mitarbeiter rauszuschmeißen, auch um Personalkosten zu sparen. KI ist vielmehr eine Lösung, um den Mangel an Menschen auszugleichen und die Produktivität im zweistelligen Prozentbereich zu steigern. 

Welche Berufsgruppen sind wie stark von Künstlicher Intelligenz betroffen? 

Wir haben uns die 12 häufigsten Berufsbilder in Deutschland angeschaut, darunter handwerkliche, pflegerische und medizinische Berufe, Finanzberatungen, Rechtsanwälte, und auch klassische Bürojobs. Dabei gibt es keinen einzigen Beruf gefunden, in dem wir keine Auswirkungen durch KI gefunden haben. Einzige Ausnahme ist vielleicht der Elektrotechniker im Handwerk.  

Wenn wir uns die Pflege ansehen: Künstlich intelligente Roboter können bei bestimmten Tätigkeiten aushelfen, aber sie werden nicht die Pflegekraft ersetzen. Niemand muss also Angst haben, in ein paar Jahren nur noch von Robotern gepflegt zu werden. Aber im Bereich Pflege sehen wir seit 40 Jahren einen großen Fachkräftemangel. Pflegekräfte kommen mit der Arbeit nicht mehr hinterher. Sie haben bestimmte Vorgaben, etwa wie viele Sekunden sie mit einer Pflegebedürftigen verbringen dürfen. Leider können sie in dieser Zeit nicht alle Aufgaben erledigen und sind völlig überarbeitet. Der Krankenstand im Pflegebereich ist sehr hoch. Pflegekräfte brauchen dringend Unterstützung durch KI, insbesondere für Dokumentationsaufgaben.  

Auf der DIGICON sprichst du über „Arbeitswelt und KI 2030“. Welche Kernbotschaft möchtest du den Teilnehmer:innen mitgeben?  

Die allerwichtigste Message ist, dass KI aus volkswirtschaftlicher Perspektive keinen einzigen Job vernichten wird. Sondern sie wird dazu beitragen, dass wir vernünftig und hoffentlich in Frieden weiterarbeiten können – dies jedoch effizienter und ohne die Aufgaben, die uns eigentlich keinen Spaß machen.  

Kai, vielen Dank für das Gespräch! 

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