Die neue Sicherheits-Synthese: Flexicurity
Tristan Horx: Flexicurity
Stellen wir uns die Gesellschaft als eine Art Haus vor. Das Fundament bildet die Zivilgesellschaft: Nachbarschaften, Vereine, Familien, Freundschaften, berufliche Netzwerke und so weiter. Staat und Wirtschaft bilden die Wände, und im Dachgeschoss „wohnt“ das Ich, das Individuum.
In unserer gesellschaftspolitischen Debatte verkürzen wir dieses System oft auf den reinen Verteilungsstreit zwischen Wirtschaft und Staat. „Mehr Staat – mehr Wirtschaftsfreiheit“, lauten die unterkomplexen Positionen, die sich seit Jahrhunderten als ideologische Schützengräben verselbstständigt haben. Aber genau diese Graben-Mentalität lähmt unsere Zukunftsdebatte. Wenn wir weiterkommen wollen, brauchen wir neue Synthesen des Denkens, die allen Parteien in diesem Spiel Rechnung tragen.
Analysieren wir die fundamentalen Bedürfnisse von Gesellschaften, so sehen wir ein Dreieck aus Sicherheit, Freiheit und Produktivität. Individuen brauchen Sicherheit für ihre Lebensentscheidungen, die ihnen der Staat oder Unternehmen bieten kann. Und sie brauchen Freiheit, um sich zu entfalten. Unternehmen, aber auch der Staat und die Individuen sind auf Produktivität angewiesen, die unseren Wohlstand sichert. Wie kann man diese Bedürfnisse „rekombinieren“?
Das gelingt durch Flexicurity:
Die Politik der Absicherung von sozialer und beruflicher Mobilität, etwa durch Bildung von Rücklagen, durch neue, risikobezogene, flexible Versicherungssysteme, oder durch besondere Weiterbildungsmöglichkeiten. Die skandinavischen Länder leben es bereits vor, und es funktioniert. Wer in seinem Leben abgesichert ist, kann sich auch weitaus einfacher mit den Krisen der Welt auseinandersetzen, ohne sofort in den Regress abzurutschen.
Flexicurity ist demnach ein Arbeitsmarktkonzept, das Menschen in ihrer Biographie nicht fallen lässt, sondern ihnen Sicherheit gibt. Dies führt zu besserer Krisenbewältigung. So rücken Flexibilität und Sicherheit wieder näher zusammen.