New Work: Zwischen Vision, Realität und Zukunftsperspektiven – Sven Franke im Interview 

Was bedeutet New Work heute wirklich? Sven Franke, Antiberater und Mitbegründer des New Pay Collective, spricht im exklusiven COPETRI-Interview über die Diskrepanz zwischen der ursprünglichen Vision und der oft oberflächlichen Umsetzung in der Praxis. Mit seiner klaren Botschaft plädiert er für eine tiefgreifende, menschenzentrierte Veränderung.

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New Work: Zwischen Vision, Realität und Zukunftsperspektiven - Sven Franke im Interview 

DIGICON25-Speaker Sven Franke im COPETRI-Interview ZU New Work 

Von der Vision zur Realität

New Work ist seit Jahren in aller Munde. Wo siehst du die größten Unterschiede zwischen der ursprünglichen Idee von New Work und ihrer heutigen praktischen Umsetzung?  

Die größten Unterschiede zwischen der ursprünglichen Idee von New Work und der heutigen Umsetzung sehe ich in der Tiefe der Veränderung und der Intention. Was meine ich damit? Frithjof Bergmann wollte eine grundlegende Revolution der Arbeit und letztendlich der Gesellschaft erreichen. Dabei sollte der Mensch nicht mehr in erster Linie als Ressource betrachtet werden.

Dafür teilte Bergmann die zur Verfügung stehende Zeit in die drei gleichgewichtigen Bereiche: Lohnarbeit, selbstbestimmte Arbeit und gemeinschaftliche Arbeit auf. Heute erleben wir oft nur eine Optimierung bestehender Strukturen, anstatt einen radikalen Wandel hin zu mehr Freiheit und Sinnhaftigkeit.  

Der zweite Aspekt ist die Intention. Während Bergmanns Konzept darauf abzielte, Menschen die Möglichkeit zu geben, dass zu tun, „was sie wirklich, wirklich wollen“, ist die heutige Umsetzung oft durch wirtschaftliche Interessen geprägt. Unternehmen nutzen „New Work“ häufig als Mittel zur Produktivitätssteigerung und zur Verbesserung des Employer Brandings, anstatt die Bedürfnisse der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt zu stellen.  

Erfolgsfaktoren von New Work

Welche Prinzipien und Ansätze von New Work haben sich deiner Erfahrung nach in der Praxis am meisten bewährt? Gibt es konkrete Beispiele, die dich besonders inspiriert haben?  

Mich hat das Thema Augenhöhe in der Arbeitswelt sehr stark geprägt. Wir haben mit einem kleinen Team und crowdfundingbasiert Filme zum Thema New Work gemacht indem wir Beispiele von Organisationen in täglichen Arbeitsalltag gezeigt und zur Diskussion gestellt haben. In den entstandenen drei Filmen haben wir viele positive Beispiele gezeigt. Sei es Premium Cola, die die Organisationsgrenzen und Verantwortungsgrenzen maximal ausgeweitet haben.

Oder hhpberlin die New Work in allen Facetten ausprobiert haben und damit sehr erfolgreich wurden. Wer mehr dazu erfahren möchte, findet die Filme nach wie vor kostenfrei im Internet. Dazu gibt es weitere wunderbare Beispiele, die besonders einzelne New Work Aspekte ins Zentrum gesetzt haben. Ein wunderbares Beispiel für Flexibilität und Selbstorganisation ist der niederländische Pflegedienstleister Buurtzorg, die die Betreuung in kleinen selbstorganisierten Teams umsetzen.

Beispiele gibt es nach wie vor viele. Mit vaude möchte ich ein weiteres deutsches Unternehmen nennen, das purpose-orientierte Arbeit ins Zentrum stellt und dadurch auch neue Wege geht, wie eine Reparaturwerkstatt anbietet und eine Leihsystem aufbaut. 

Jenseits von Agilität – Werte und Sinn im Fokus

Du sprichst oft über Sinnorientierung, Partizipation und Eigenverantwortung. Warum sind diese Prinzipien heute wichtiger denn je – und wie können sie die Arbeitswelt von morgen prägen?  

Ja, das stimmt. Sinnorientierung, Partizipation und Eigenverantwortung sind für mich die Säulen einer menschenzentrierten Arbeitswelt. Sie bieten den Mitarbeitenden Orientierung, Zugehörigkeit und das Gefühl, ihre Zukunft aktiv mitgestalten zu können. Sie sind nicht nur die Antworten auf die vielfältigen Herausforderungen der Gegenwart, wie gesellschaftlicher Wertewandel, Krisen, Fach- und Arbeitskräftemangel und Vertrauensverlust in Institutionen. Sondern sie sind der Wegweiser für eine Arbeitswelt, in der wirtschaftlicher Erfolg und menschliche Werte Hand in Hand gehen. Und damit sind sie auch Grundlage für eine nachhaltige und zukunftsfähige Arbeitskultur. 

Die Zukunft von New Work

Wie stellst du dir New Work in 10 oder 20 Jahren vor? Welche Entwicklungen und Trends werden dabei eine Schlüsselrolle spielen?  

Danke für diese Frage, auch wenn die Frage nicht einfach zu beantworten ist. Weil die Antwort stark mit der politischen Entwicklung zusammenhängt. Hier ist der zunehmende Rechtsruck sicherlich nicht förderlich. Es wird sicherlich Unternehmen geben, welche unter diesem Eindruck wieder stärker zu traditionellen Arbeitskulturen zurückkehren werden. Ich fürchte, dass es dort auch zu einem Abbau von Diversitäts- und Inklusionsaktivitäten kommen und die Skepsis gegenüber einer globalen Zusammenarbeit steigen wird. 

Das ist aber nicht mein Bild von der Entwicklung von der Arbeitswelt. Denn wirtschaftliche und globale Rahmenbedingungen und Herausforderung zeigen für mich in Richtung New Work. Dabei sehe ich folgende Aspekte: 

  • Arbeit wird zunehmend sinnorientiert und wertebasiert – Der Fokus zeigt auf Purpose und Gemeinwohlorientierung 
  • Radikale Flexibilität als Standard 
  • Kollaboration statt Hierarchie 
  • Technologie und Mensch im Einklang – KI, Automation und Augmented Workspaces als Standardwerkzeug 
  • Wertegetriebene Unternehmenskultur 
  • Nachhaltigkeit als Kernelement – Klimaneutrale Arbeitsweisen und Circular Economy 
  • Lebenslanges Lernen und Reskilling als New Normal 
  • Individuelle Karrieren – Portfolios statt Positionen 

Soweit mein Blick auf die Zukunft von New Work in der Arbeitswelt. Was aus meiner Sicht aber noch dazukommen muss ist die gesellschaftliche Arbeit, die Bergmann in seinem Konzept beschrieben hat. Das ist vielleicht die größere Herausforderung für einen echten Wandel. 

Sven Franke 1

Erlebe Sven Franke auf der DIGICON 2025

Am 7. Februar 2025 im Panel auf der Transformation Stage:
New Work neu gedacht – Jenseits von Agilität und traditionellen Systemen – mit Prof. Dr. Timo Lorenz, MSB Medical School Berlin | Juniorprofessor für Arbeits- & Organisationspsychologie und Klaus Purkarthofer Eis | Inhaber

Fairness und Transparenz – Das New Pay Modell

Du setzt dich stark für transparente und faire Vergütungsmodelle ein. Welche Rolle spielen innovative Gehaltsstrukturen für den Erfolg von New-Work-Ansätzen?  

Für mich ist das untrennbar verknüpft. New Work braucht New Pay. Das heißt aber nicht das New Pay New Work braucht. Der Ansatz funktioniert auch in klassisch hierarchischen Organisationen. Aber das ist ein anderes Thema. Ein Vergütungssystem setzt einen bedeutsamen Rahmen für Zusammenarbeit. Es legt fest was belohnt wird, was aber auch nicht. Somit beeinflusst oder behindert ein Vergütungssystem nicht nur die Wertschöpfung, sondern auch die Kulturentwicklung im Unternehmen.  

Ein konkretes Beispiel: Als Unternehmen kann ich nicht auf übergreifende Teamarbeit setzen und gleichzeitig individuelle Boni implementieren, das ist kontraproduktiv. 

Mit New Pay werfen wir einen ganzheitlichen Blick auf das Vergütungssystem. Wir betrachten die Dimensionen: Fairness, Transparenz, Wir-Denken, Partizipation, Selbstverantwortung, Flexibilität und Permant Beta und entwickeln aus der Organisation für die Organisation ein stimmiges Vergütungsmodell, welches den eingeschlagenen Weg ganzheitlich unterstützt und stärkt. 

Danke für das Gespräch, Sven.  

Sven Franke

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