1) Wie können die Bereiche Innovation, Transformation und People Management stärker verzahnt werden?
Derzeit sind diese Disziplinen in den Unternehmen häufig in eigenen Einheiten aufgestellt, z.B. Innovation Management/ Labs, Transformation Officer sowie klassischerweise HR. Dort wo in größeren Unternehmen schon seit einiger Zeit die Erkenntnis gereift ist, dass eine Vernetzung und crossfunktionale agile Zusammenarbeit sinnstiftend und erfolgsversprechend ist, bedarf es insgesamt noch spürbarer Aufklärungsarbeit.
Dabei helfen Impulse von extern, die unterschiedlichen Stakeholder an einen Tisch zu bekommen. In kleineren Unternehmen mag das sogar einfacher sein, weil es hier selten ausgeprägte Silogrenzen oder entsprechend getrennte Verantwortlichkeiten gibt. Vermutlich liegt die Herausforderung dann aber darin, in einer Person diese drei Bereiche ganzheitlicher zu denken, zu erfahren und in Maßnahmen zu vernetzen. Ein klassischer Fall für Kommunikation und Collaboration.
2) Welche drei Best Practice-Tipps hast du dafür aus deinem Arbeitsalltag für uns?
Statt Masse würde ich gerne vor allem folgenden Tipp loswerden:
Einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren bei uns im Unternehmen (DATEV eG) sind sogenannte offene Dialogformate. Seien es klassische BarCamps, unsere besonderen DigiCamps, sogenannte CoCreationCamps oder eine DATEV Adaption des Open Space Konzepts. All diesen Formaten ist gemein, dass sie einladungsbasiert, hierarchie- und bereichsübergreifend Austausch auf persönlicher und fachlicher Ebene ermöglichen, mit dem Ziel aufgeklärtere Entscheidungen zu treffen. Nach einer anfänglichen „Aktivierungsphase“ werden die Formate zum Selbstläufer, wenn das Unternehmen diesen Austausch vom Top-Management her unterstützt und Menschen Erfolgsstorys erleben, die es ohne die Vernetzung und den offenen und ehrlichen (!) Austausch nicht gegeben hätte.
Erfolgsentscheidend ist der Mut einer Gesamtorganisation, sich auf solche „organisationalen Kommunikationsexperimente“ einzulassen und diese quasi zu „Standardwerkzeugen“ zu entwickeln, die eine crossfunktional betriebene Transformation ermöglichen und beschleunigen.
3) Wie gelingt es dir, dich immer wieder auf neue Situationen und Anforderungen in dieser schnelllebigen, agilen Welt einzustellen?
Ganz wichtig: Es gibt hier keine Blaupause. Allerdings hilft es immens, wenn sich alle Beteiligten (zumindest sind das alle Beschäftigten inklusive des Managements, sowie bestenfalls zusätzlich auch Partner und Kunden) eine einheitliche Vision geben. Dieses Zielbild muss dabei auch die Antwort auf die „Warum“-Frage beantworten können. Denn Veränderungen von menschlichem Verhalten oder gar inneren Einstellungen sowie von Aufbau- und Ablauforganisationen sind stets ein immenser Kraftakt.
Ohne ein klares und auch durchaus kritisch diskutiertes „Why“ bleibt die Veränderung schnell in der operativen Hektik des Arbeitsalltags stecken.
Auch muss klar sein, dass diese Veränderungen nur ein Zwischenzustand sind, die Anpassungen tendenziell nie aufhören, mithin die Organisation nie fertig oder gar „perfekt“ ist. Und wenn drittens klar ist, dass vor allem radikale Veränderungen eine längere Zeitstrecke brauchen und am besten stufenweise und agil betrachtet und bearbeitet werden, dann besteht eine gute Aussicht, dass Strukturen sowie die Organisation ansich resilienter sowie veränderungsfähiger, neudeutsch „fluider“ werden.
4) Was war deine letzte Lessons Learned und wie wendest du das Gelernte jetzt an?
Eine der wichtigsten Lessons Learned war für mich das Zu-Wort-Kommen-Lassen von kritischen Stimmen und Zweiflern. Es braucht für das große Ziel, einer wirklich für die VUCA-Welt bereiten Organisation, das Zutun aller. Selbst wenn es stets Menschen in Organisationen geben wird, die massiv an der Richtigkeit des Ziels oder auch nur an einzelnen Maßnahmen zweifeln, ja tendenziell sogar dagegen arbeiten, so sollten diese Stimmen trotzdem regelmäßig gehört werden. Sie sind Teil der Veränderung und geben auch Aufschluss darüber, wie weit die Organisation schon gekommen ist in Punkto „offene und angstfreie Kommunikationskultur“. Letzter Punkt ist aus meiner Sicht essentiell.
Aber auch die Erkenntnis, dass es am Ende nicht hilft, alle vollkommen überzeugen oder „mitnehmen zu wollen“, wie das oft formuliert wird. Hier würde viel Energie verpuffen. Das bedeutet: Alle sollten gehört und ernstgenommen werden, aber nicht alle müssen am Ende überzeugt sein.
Das geht einher mit der Erkenntnis, dass nicht versucht werden sollte, die Menschen oder deren Verhalten zu ändern, sondern stets die Organisation und Rahmenbedingungen. Dann richten sich Beschäftigte systemisch clever über eine gewisse Zeitstrecke betrachtet von alleine neu aus.
0,5) Um Unternehmen/Organisationen zukunftsfähig aufzustellen, braucht es…
Mut, Commitment der relevanten Stakeholer zu einer gemeinsamen Vision, schlagkräftige Kommunikation zum dahinter liegenden „Why“, einen langen Atem und die generelle Fähigkeit, bei Rückschlägen nicht sofort am Ziel zu zweifeln.
Herzlichen Dank Stefan Scheller!
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