Innovativer und erfolgreicher durch „Arbeit auf Augenhöhe“
Wie war das, als du noch Jura studiert hast – hättest du dir vorstellen können, dass du später als Expertin für New Work unterwegs sein würdest?
Nein, da wusste ich noch nicht, dass dieser Job überhaupt eine Option ist. Als ich mit dem Jurastudium begann, hatte ich einen Beruf im Sinn, in dem ich mich für mehr Gerechtigkeit und für jene, die keine Stimme haben, einsetzen könnte. Mir wurde im Studium klar, dass ich im öffentlichen Dienst arbeiten und mich dort für eine gerechtere Gesellschaft einsetzen möchte. Auch heute als Beraterin, Forscherin und Gründerin von meinem eigenen Unternehmen basicallyinnovative.com setze ich mich für ein Umdenken in der Arbeitswelt ein: Arbeit auf Augenhöhe, die nicht krank macht.
Lena Marie Glaser ist studierte Juristin, Arbeitsforscherin und Gründerin des Zukunftslabors basicallyinnovative.com. Sie war Referentin im Finanzministerium, wagte dann aber den Schritt in die Selbständigkeit und setzt sich seitdem für eine Arbeitswelt auf Augenhöhe ein. Mit ihrem Zukunftslabor erforscht sie ein neues Arbeiten und berät Arbeitgeber:innen dabei, nachhaltig Talente zu gewinnen und zu halten. Die 38-Jährige lebt in Wien.
War deine Vorgeschichte auch die Inspiration für deinen Buchtitel „Arbeit auf Augenhöhe“?
Ja, auf jeden Fall, meine persönlichen Erfahrungen im Arbeitsleben spielen eine Rolle. Dazu kommt, dass in meiner Forschungs- und Beratungstätigkeit der letzten Jahre mit meinem Zukunftslabor, vor allem in den Gesprächen mit den Beschäftigten, Führungskräften und auch mit der Geschäftsführung, die Idee der „Arbeit auf Augenhöhe“ immer wieder aufgekommen ist. Viele Menschen am Arbeitsplatz wünschen sich diese, und erleben sie nicht.
Nach einer Studie, die du in deinem Buch zitierst, wollen 26 Prozent der Arbeitnehmer:innen den Job wechseln. Warum ist das so?
Die Arbeitswelt hat sich in der Pandemie für alle offensichtlich verändert. Ein Phänomen war die Umstellung auf das Homeoffice für alle, die im Büro arbeiten. So haben viele in der Krise angefangen, über ihr Arbeitsleben zu reflektieren. Sie hinterfragen, wie sie arbeiten wollen. Das ist eine interessante Entwicklung. Viele haben so erkannt, dass sie nicht zufrieden sind, dass sie sich eine andere Art zu arbeiten wünschen.
Wie definierst du den Begriff „Arbeit auf Augenhöhe“?
Das ist eine Arbeitswelt, in der wir kooperativ zusammenarbeiten, in der Empathie gelebt wird, in der wir mitgestalten können. So ist Partizipation ein ganz wesentlicher Faktor, aber auch Wertschätzung und Anerkennung, faire Arbeitsbedingungen eben. Arbeitnehmer:innen erleben, dass oft über sie bestimmt wird und dass sie gar nicht gehört werden. Gerade die junge Generation fordert schon in der Probezeit ein, mitzugestalten, und als Mensch mit individuellen Bedürfnissen wahrgenommen zu werden. Daher ist es für Arbeitgeber, die Personal suchen, so wichtig, diese veränderten Rahmenbedingungen zu erkennen und zu handeln. Denn nur zufriedene Mitarbeiter:innen bleiben langfristig und erzählen weiter, dass ihr Unternehmen ein guter Arbeitgeber ist.
Wie kann ein Unternehmen eine Kultur der Augenhöhe etablieren? Homeoffice, Vier-Tage-Woche, das ganze Paket – oder etwas ganz anderes?
Es gibt natürlich nicht DIE eine Standardlösung für alle Betriebe. Es gibt aber einige Ansatzpunkte aus meiner Erfahrung mit Unternehmen, die diesen Weg bereits gegangen sind und einen Kulturwandel begonnen haben. Wichtig ist zunächst, zu analysieren und dann strategisch zu handeln: Wo stehen wir gerade als Arbeitgeber und wo gibt es noch Verbesserungspotential?
Eine wichtige Rolle spielen die Führungskräfte. Das sind die Schlüsselfiguren für die Veränderungsprozesse. Sie müssen den Rahmen schaffen, damit ihre Leute gut arbeiten können. Dabei sind sie selbst unter Druck von oben und unten, unter Zeitdruck, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Daher ist die Auswahl, die Weiterbildung und das Coaching für Führungskräfte so wichtig. Und es braucht ein grundsätzliches Umdenken, einen Mindset-Change. Dazu zählt die Etablierung einer neuen Vertrauens-, Leadership- und Fehlerkultur. Wir müssen weg von diesem hierarchischen Denken hin zu mehr Vertrauen. Da können wir einiges von den skandinavischen Ländern lernen.
Welche Auswirkungen hat „Arbeit auf Augenhöhe“ auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen und ihre Bindung zum Unternehmen?
Es lässt sich beobachten, dass ein starkes Gemeinschaftsgefühl, die Möglichkeit mitzugestalten, sowie Anerkennung im Job, dazu führt, dass die Leute motivierter sind und sie lieber zur Arbeit kommen. So wird auch vorgebeugt, dass sich Mitarbeiter:innen innerlich zurückziehen, vereinsamen oder nur noch das tun, was sie unbedingt tun müssen. Das wurde in den letzten Monaten intensiv unter dem Schlagwort „Quiet Quitting“ diskutiert.
Wie muss sich denn die Kommunikation von Führungskräften ändern, wenn das Gros der Mitarbeiter:innen im Homeoffice sitzt?
Gerade während der Pandemie haben sich viele Mitarbeiter:innen zu wenig informiert und unterstützt gefühlt. Sie fühlten sich allein gelassen, wenig abgeholt und einsam. Daraus kann man jetzt für die Zukunft lernen. Die Führungskräfte sind gefragt, und das beginnt bei der Geschäftsführung, hinzuhören, Fragen zu stellen und die Kommunikation auf Augenhöhe zu leben. Es zählen oft die kleinen Dinge. Wenn eine Führungskraft merkt, ein:e Mitarbeiter:in zieht sich zurück, ist es wichtig, den Dialog zu suchen und Unterstützung zu bieten.
Wie können Unternehmen dazu motivieren, Kritik zu äußern, die vielleicht weh tut und ans Eingemachte geht?
Oft erleben Mitarbeiter:innen, die Dinge hinterfragen und neue Wege gehen wollen, dass sie nicht ernst genommen werden. Auf längere Sicht führt das zu einem inneren Rückzug und Resignation. Die Arbeitgeber sind gefragt, das große Potential, das diese kritischen Stimmen bieten, zu erkennen und zu fördern. Dazu zählt es, Räume zu schaffen und zeitliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Es gilt alle einzuladen, die mitgestalten und sich einbringen wollen. Diese Vielfalt an Erfahrungswerten ist eigentlich ein Geschenk. Das muss man ganz klar sehen. Es gibt so viel Wissen und Erfahrungen, die oft gar nicht wahrgenommen werden.
Wie geht es weiter, wenn die „Arbeit auf Augenhöhe“ geschafft ist? Was wäre das nächste Ziel?
Aus meiner Sicht ist das ein Prozess, der immer wieder neu mit Leben zu erfüllen ist. Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass es einige Vorreiterunternehmen gibt – in Deutschland und auch in Österreich – die als Vorbilder, Best Practices für andere Unternehmen agieren können. Wichtig ist, dieses Lernen voneinander zu fördern, aber auch eine neue Fehlerkultur zu etablieren: Es gilt, in kleinen Schritten neue Dinge auszuprobieren, und die Mitarbeiter:innen mitzunehmen. Mit „Arbeit auf Augenhöhe“ können Unternehmen innovativer sein, ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken und so wirtschaftlich erfolgreicher sein.
Lena, vielen Dank für das Gespräch!