Sascha Lobo: Das Netz verändert die Welt

Sascha Lobo, der bekannte Digitalexperte, eröffnete die COPETRI CONVENTION 2022 mit seiner Keynote „Wie das Netz die Welt verändert – und was das für Arbeit und Transformation bedeutet. Zuvor hatte die Schauspielerin Ilona Schulz zwei Zukunftsszenarien Worst Case und Best Case – für die (digitale) Entwicklung Deutschlands vorgetragen. Saschas Keynote ist auch als Video in unserer Mediathek verfügbar.

 

Einstieg: Der große Bogen 

Sascha Lobo formuliert sein Ziel: Tieferes Verständnis entwickeln für das komplexe Thema seines Vortrags. Denn die Veränderung bereits kleiner Details kann aufgrund der Vernetzung der Welt gigantische Folgen haben. Beispiel: Sperrung des Hafens Shanghais verursacht Folgen, die bei uns spürbar sind. Diesen großen Bogen der Zusammenhänge will er in seiner Keynote spannen. 

Die deutsche digitale Infrastruktur 

Zahlen belegen den schlechten Zustand der digitalen Infrastruktur Deutschlands im internationalen Vergleich, etwa die „Fiber to the Home“-Quote: Wie viele Haushalte haben direkte Glasfaser-Verbindung für schnelles und stabiles Internet? 

  • Vereinigte Arabische Emirate – 100 % 
  • Katar – 100 % 
  • China über 90 %
  • Deutschland 17,8% 

Deutschland liegt damit gleichauf mit Angola. Statt auf Glasfaser hat Deutschland in den Ausbau von Kupferkabeln investiert. 

„Ich möchte euch keine Angst machen. Ich möchte euch bloß sagen, welche große Arbeit an unglaublich vielen Fronten vor uns steht, die ein besonderes Mindset erfordert. Und dieses Mindset hängt auch mit einem tiefen Verständnis für digitale Transformation zusammen.“

Zeit des exponentiellen Fortschritts 

Wir leben in einer Zeit des exponentiellen Fortschritts, alles entwickelt sich superschnell und intensiv. Sascha Lobo nennt das Beispiel iPhone: 2007 erschienen, hat es die gesamte Gesellschaft auf den Kopf gestellt 

Was ist die treibende Kraft dahinter? Er blickt noch weiter zurück…

… in das Jahr 1970: Studentinnen der Universität von Oregon wollten ihren Campus umgestalten. Sie säten Rasen zwischen den Gebäuden. Nach sechs Monaten schauten sie, wo der Rasen niedergetrampelt war. Genau dort legten sie Wege an. 

„Das effizienteste denkbare Wegenetz überhaupt konnten nur alle zusammen anlegen.“

Das Beispiel ist nichts anderes als eine anonymisierte Nutzerdatenerhebung. Die Kraft der Vernetzung entfaltet sich mit richtiger Technologie – hier war es der Rasen. 

„Nicht Technologien verändern die Welt, sondern die Art und Weise, wie Menschen sie nutzen.“

Was hat die Digitalisierung mit der Gesellschaft getan? 

Mit dem Smartphone wurde eine Sensorenflut über uns ausgekippt. Es herrscht auf einmal Datenbegeisterung, trotz aller Bedenken. 

„Menschen lieben es, Daten zu teilen.“

Sie teilen sogar sehr intime Daten. Beispiel: Eine App, über die Nutzer:innen ihre Geschlechtskrankheiten melden, verifizieren lassen und teilen.  

Eine weitere enorme gesellschaftliche Auswirkung des Smartphones: Sofortness, die digitale Ungeduld. Weil auf dem Smartphone Prozess A superschnell funktioniert, erwarten wir, das Prozess B in der analogen Welt genauso schnell geht. 

Smartphone ist die Technologie der Wahl: In den USA wollen rund 30 Prozent der jungen Leute nur noch das Smartphone nutzen, keine Computer oder Laptops mehr. Nachteile haben ab jetzt etwa Unternehmen, die Bewerbungsverfahren nicht mobil optimieren. 

Digitale Kollaboration 

Durch die Pandemie ist vernetztes, dezentrales Arbeiten selbstverständlich geworden. 

„Einfache Einsicht: Online-Kollaboration muss man neu lernen! – diese Botschaft müssen wir in die Köpfe der Entscheider:innen reinhämmern.“

Das World Economic Forum schätzt: 40 Prozent der Core Skills der Arbeitskräfte müssen in den nächsten fünf Jahren neu aufgestellt werden – eine enorme Aufgabe für People. 

„Fort- und Weiterbildung sind das Herzstück der Transformation.“

Warum verlassen jüngere Arbeitnehmer:innen Unternehmen? 

Wenn wir das vor dieser Keynote skizzierte Best Case Szenario erreichen wollen, müssen sich Unternehmen mit den Gründen auseinandersetzen, warum junge Menschen kündigen. Dazu gehört: weil sie keine digital vernetzte Zukunft in diesem Unternehmen sehen. Wichtiger noch ist aber dieser Aspekt: 

„Früher hat man das Leben um die Arbeit herum organisiert, heute organisiert man die Arbeit um das Leben herum.“

Dieser Maxime muss der Unternehmensbereich People folgen. Sascha Lobo ist ein Fan der jungen Generation: Wir werden immer klüger, bewältigen den Fortschritt immer besser. Junge Menschen sind präzise und kreativ. Sie stellen aber auch Forderungen an die Welt: 

„Wer jungen Bewerber:innen zwei Tage Homeoffice pro Woche verwehrt, hat man die Garantie, diejenigen auszusieben, die es sich aussuchen können.“

People hat die Verantwortung dafür, eine Brücke vom Worst Case zum Best Case zu schlagen – Stichwort „Bridging Perspectives“!  

Technologie macht nicht produktiver 

Im Hinblick auf die digitale Transformation müssen wir verstehen: Technologie macht uns nicht produktiver. 

Beispiel: US-Krankenversicherung Anthem erledigte im Jahr 2019 rund 30 Prozent der Kundenanfragen digital, im Jahr 2022 rund 75 Prozent. Die Zahl der Mitarbeiter:innen blieb aber gleich. Warum? Die Standardfragen werden digital erledigt. Doch es gibt einen neuen Fokus auf eine tiefere, individuellere Beratung und Problemlösung bei komplexeren Anfragen. 

Transformation geschieht entlang der Datenströme 

Datenströme sind der Treiber der Veränderung, denn sie ermöglichen neue Betrachtungsweisen und erzwingen häufig Veränderungen in Geschäftsmodellen. Dafür bringt Sascha Lobo zwei Beispiele: 

  1. Weightwatchers ist ein großer Konzern, der Menschen zum Kalorienzählen motiviert. Problem: Google arbeitet an einer Technologie, die mithilfe von Fotos den Kalorien- sowie Nährstoff- und Schadstoffgehalt einer Mahlzeit erhebt. Damit hat Weightwatchers ein Problem: Es ist ein Datenstrom entstanden, der das Geschäftsmodell auf den Kopf stellt.  
  1. Schwedisches Start-up Natural Cyclus will mithilfe eines Datenstrom die Anti-Baby-Pille ersetzen: Frauen geben täglich ihre Körpertemperatur ein. Die Auswertung der Daten ermittelt ihre fruchtbaren Tage.  

Die Transformation, die den Schritt zur Virtualisierung geht und damit die Auswertung von Datenströmen ermöglicht, bietet neue große Chancen für uns. Denn: 

„Wir Menschen sehen das Offensichtliche oft nicht.“

Digitale Lösungen helfen uns daher, Wichtiges zu erkennen. Damit können auch neue Geschäftsmodelle entstehen.  

Hardware – Software – vernetzte Software 

Die Transformation folgt einem dreistufigen Muster: Hardware – Software – vernetzte Software. Diese Entwicklung zeigt Sascha Lobo am Beispiel der meistgenutzten „Digitalkamera“: 

  • 2006: Canon Ixos = Hardware 
  • 2011: Kamera-App des iPhone = Software 
  • aktuell: Instagram = vernetzte Software und Plattform. Die meisten Fotos entstehen derzeit „über“ Instagram. 

„Die Kraft der Vernetzung wird in vielen Bereichen noch entdeckt werden. Alles wird zur Plattform, was Plattform werden kann.“

Die Macht der Plattform 

Überraschend durchgesetzt: Smart Speaker. In Deutschland 10 Millionen Smart Speaker. Es gibt allerorts eine Intensive Verbindung zur digitalen Sphäre. 

Studie: Kinder, die mit Alexa aufwachsen, sehen in ihr ein digitales Familienmitglied. Die Kinder sind nicht klein und dumm. Wir Erwachsene verhalten uns so und die Kinder ahmen uns nach. 

Weiteres Experiment: Erwachsene sollen im Nebenraum einen Roboter ausschalten. Er fängt vorher an zu sprechen und bittet, nicht ausgeschaltet zu werden. Ein Drittel der Probant:innen schafft es nicht, die Maschine auszuschalten, weil sie „Mitleid haben“. 

„Wir sind emotional verbunden mit der digitalen Sphäre … Damit steht fest: Wir sind auf einem unumkehrbaren Weg … Fragt nicht, was digitalisiert werden kann. Fragt, was nicht digitalisiert werden darf und digitalisiert den Rest.“

Hier geht’s zum Video mit Sascha.

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