„Unternehmen sollten Kündigungen fair und menschlich gestalten“

Zum Arbeitsleben gehört es auch, dass Unternehmen sich von Mitarbeitenden trennen müssen. Gründe dafür gibt es viele: So arbeiten viele Menschen in mittlerweile veralteten Industrien, die verschwinden oder sich radikal erneuern werden. Innovationen dürften Millionen heutiger Stellen verschwinden lassen. Ein häufiger Grund für Kündigungen ist zudem die unzureichende Arbeitsleistung von Mitarbeitenden. Im Interview erläutert Ralf R. Strupat, warum die Trennung immer eine herausfordernde Situation ist – nicht nur für jene, die gehen müssen. Auch für Führungskräfte ist es unangenehm, die schlechte Nachricht zu überbringen. Am Ende des Interviews findest du seine Praxistipps, um Offboarding für beide Seiten besser zu gestalten.

Kündigungen sind eine herausfordernde Aufgabe der People-Verantwortlichen. Warum lohnt es sich für Unternehmen, die Trennung von Mitarbeitenden mit Sorgfalt anzugehen?

Die wahre Kultur eines Unternehmens zeigt sich, wenn man sich trennt. Ich glaube, dass Unternehmen ihre Marke schwer beschädigen können, wenn sie ihre Werte, ihre Unternehmensphilosophie, ihr Leitbild nicht in dem Moment beweisen, in dem sie Mitarbeitende kündigen müssen. Man sieht sich immer zweimal im Leben. Vielleicht treffe ich meinen Ex-Mitarbeiter wieder, weil er wenige Wochen später zur Kundenseite gewechselt ist. Spätestens dann bin ich froh, wenn es mir zuvor gelang, die Trennung fair und menschlich zu gestalten.

Warum tun sich viele Führungskräfte mit Offboarding so schwer?

Sich zu trennen, ist nicht Teil eines Führungskräftetrainings. Oft haben es die Chefs und Chefinnen gar nicht gelernt und geübt. Onboarding ist ein Prozess, zu dem sich Arbeitgeber viele Gedanken machen. Aber dass Offboarding auch ein wichtiges Thema ist, vernachlässigen viele Unternehmen.

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Ralf R. Strupat ist Buchautor, Speaker und TV-Experte. In jungen Jahren spielte er Theater, war in der Jugendbewegung und in der Kommunalpolitik aktiv. Er gründete ein autonomes Jugendzentrum in Versmold (Kreis Güterloh) und war schon während seines Zivildienstes für 21 Mitarbeiter verantwortlich. Als er Pädagogik mit Schwerpunkt Psychologie studierte, gründete er einen Verein, der Trainings für Auszubildende anbietet. Später arbeitete er in einer Unternehmensberatung, aber vor allem selbständig in seiner eigenen Firma „STRUPAT: Kundenbegeisterung!“. Ralf ist verheiratet, hat vier Kinder und seit kurzem auch ein Enkelkind.

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Was sollten Unternehmen beachten, wenn sie sich von Mitarbeitenden trennen?

Es ist sehr schwierig, wenn die Führungskraft mit der Arbeitsleistung des Mitarbeitenden nicht zufrieden war. Aber wichtig ist, sich zu BEDANKEN. Oft fragt der andere dann: Warum ich? Wichtig ist es, NICHT noch einmal alle Gründe auf den Tisch zu legen. Ich rate davon ab, in der Phase der Kündigung diese Dinge erneut zu diskutieren. Das würde womöglich in gegenseitigen Vorwürfen enden. Ich habe als Führungskraft bereits vorher ausführlich angesprochen, inwiefern sich mein Mitarbeiter verbessern muss – etwa in Feedbackrunden. Daher muss ich nun auf den Punkt kommen und sagen: „Ich weiß, du hast dein Bestes gegeben, aber das war mir nicht gut genug. Trotzdem bedanke ich mich bei dir für die gemeinsame Zeit.“

Kündigungen finden oft am Freitag statt. Warum ist das kein guter Zeitpunkt? 

Besser ist es, das Gespräch an einem Mittwoch oder Donnerstag zu führen, damit Mitarbeitende den Schock verdauen, eine Nacht darüber schlafen können – und nicht das ganze Wochenende herumgrübeln, was sie hätten sagen oder tun können. Gut ist es, als Führungskraft zu sagen: „Wenn du Fragen hast, komme morgen wieder. Dann können wir uns noch einmal zusammensetzen und reden.“

Einige Unternehmen machen sich viele Gedanken, wenn sie Mitarbeitende kündigen müssen. Sie halten Listen bereit, wo sich die Betroffenen arbeitslos melden und bei welchen Unternehmen sie sich bewerben können. Ist das Führsorge oder Paternalismus? 

Mein Rat ist immer zu fragen, wie viel Begleitung sich jemand wünscht. Eine Liste vorbereitet zu haben, ist gut. Aber ich würde mir die Erlaubnis holen, sie auch einzusetzen – und nicht durchblicken lassen, ich hätte schon alles geregelt. Das wäre mir zu viel im ersten Schritt. Es ist besser, zu signalisieren: Bei Fragen bin ich für dich da. Es geht immer um eine gewisse Haltung. Wenn eine Personalerin aus ehrlicher Fürsorge handelt, gefällt mir das. Wenn es nur darum geht, Ärger oder womöglich eine Klage zu vermeiden, wird das der Mitarbeitende spüren.

Auch gibt es die Offboarding-Idee, einen Umtrunk mit Dankesworten auszurichten. Macht es eine Kündigung nicht fast schlimmer? 

Nur wo es passt, und dem Anlass entsprechend, würde ich das als Arbeitgeber in Erwägung ziehen. Die meisten Mitarbeitenden wünschen sich das nicht. Die Frage ist: Bringe ich damit noch einmal meine Wertschätzung zum Ausdruck? Es kommt auf den Kontext an, die Länge der Betriebszugehörigkeit und auf den Kündigungsgrund. Daher ist es am besten vorher abzuklären, ob der Mitarbeitende eine offizielle Verabschiedung möchte.

Ralf, vielen Dank für das Gespräch!

Praxistipps: So gestaltest du Offboarding besser

  • Sprich die Kündigung als direkte:r Vorgesetzte:r persönlich aus, gegebenenfalls in Anwesenheit einer oder eines Personalverantwortlichen als Zeuge.
  • Wähle einen Ort, der nicht einsehbar ist und dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin einen Spießrutenlauf erspart. Das kann dein Büro sein oder ein Besprechungsraum.
  • Kündige eher vormittags als nachmittags, eher unter der Woche als am Freitag. Das ermöglicht es, den Mitarbeiter nach Hause begleiten zu lassen. Nicht jede:r ist nach einer solchen Botschaft noch fahrtauglich. Es gibt jeder:m Betroffenen die Chance, sich zeitnah Unterstützung zu holen, statt am Wochenende zu grübeln.
  • Verzichte auf Vorreden oder Smalltalk , der vor dem Hintergrund des Folgenden „verlogen“ wirken kann. Komme schnell zur Sache und formuliere unmissverständlich: „Ich habe heute eine schlechte Nachricht für dich. Die andauernde geringe Auslastung unserer Produktion zwingt mich zu Entlassungen. Unter Berücksichtigung der betrieblichen Sozialauswahl kündige ich dir daher fristgerecht zum 31.12. dieses Jahres. Es tut mir außerordentlich leid, dir das sagen zu müssen.“
  • Bereite dich auf Kündigungsgespräche vor, halte alle wichtigen Unterlagen (etwa Arbeitsvertrag, Sozialplan, Personalakte, Kündigungsschreiben) griffbereit. „Probe“ deine Wortwahl, freunde dich mit einer klaren Formulierung an.
  • Bereite dich innerlich auf mögliche Reaktionen vor – von betäubter Erstarrung über wütende Angriffe bis zu Tränenausbrüchen. Auch Übersprungshandlungen kommen vor – etwa dass jemand übergangslos diskutieren will, was mit dem anstehenden Projekt passieren soll. Ob Schweigen, Tränen oder ungerechte Angriffe – das musst du aushalten. Vermeide Rechtfertigungen oder energische Gegenrede, gehe davon aus, dass dein Gegenüber neben sich steht. Auch deine eigenen Gefühle solltest du zurückstellen: Auslassungen darüber, wie schwer dir das Ganze fällt, wie sehr du dich mit der Entscheidung geplagt hast usw. werden oft als Hohn empfunden, ebenso wie Trost („Wer weiß, wofür es gut ist …“).
  • Stelle sicher, dass die andere Seite deine Botschaft auch wirklich verstanden hat. Wiederhole den Kernpunkt, wenn du daran zweifelst. Gebe deinem Gegenüber Gelegenheit, den Schock zu verdauen. Das spricht auch dafür, dieses erste Gespräch kurz zu halten – etwa sechs bis zehn Minuten. Beraume ein zweites Gespräch an, in dem du das weitere Vorgehen besprichst.
  • Bedanke dich für die geleistete Arbeit und den Einsatz deines Gegenübers. Wahre Respekt und Wertschätzung.