Liebes #hrespect Gründer-Team, vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für dieses Interview nehmt – und vielen Dank für diese wichtige Initiative! Wie habt ihr euch für dieses Thema zusammengefunden?
Eva Stock: Wir sind alles HRler:innen bzw. dem HR verbundene Menschen, die ähnlich denken und wir sind uns einig sind darüber, dass Rassismus in unserer Gesellschaft – und damit auch im Berufsleben – keine Chance haben darf. Wir alle kennen uns alle über unterschiedliche Verbindungen in unserem Netzwerk und Jess und ich (Eva) starteten einst auf dem HR Barcamp in Berlin eine Session zum Thema Rassismus und HR. Die Resonanz war groß und so haben wir über einige Umwege und mit zwei Jahren Verzug mit tollen Wegbegleiter:innen die Initiative #hrespect ins Leben gerufen.
Der lange Prozess war im Rückblick absolut notwendig, damit wir uns so auch ganz persönlich noch einmal mit vielen Themen auseinandersetzen konnten. Es gab viele Ups and Downs und Zweifel, ob wir das alles wollen. Wir sind unheimlich froh, dass wir #hrespect am Ende dann doch umgesetzt haben,
Jess Koch: Über zwei Jahre haben wir vier – immer wieder auch mit anderen – an der Umsetzung der Idee gearbeitet. Das ganze immer Remote und neben all den anderen Dingen, die ein jeder von uns noch so auf dem Zettel hatte. Was uns aber immer großes Unbehagen gemacht hat war, dass wir uns immer als Gruppe sahen, die nicht negativ von Rassismus betroffen ist und das führte dazu, dass wir uns viel mit der Frage beschäftigten, ob wir vier weißen Bio-Kartoffeln überhaupt etwas zu dem Thema sagen könnten… Aber dann rief mich im Januar Henner Knabenreich an und meinte, dass er da jemand kennengelernt hat, die super zu uns in die Gruppe passen würde… und so sprach ich
mit Andisheh und schwupp war sie Teil der Gruppe. Als Andisheh dazukam waren wir gerade mit der Homepage fertig geworden und waren dabei unser Go-Live zu planen, waren aber immer noch recht unsicher. Andisheh hat uns noch einmal einen kleinen Motivationsschupser gegegeben. Aufgrund ihrer Perspektive wurde uns vor Augen geführt, wie wichtig die Initiative und ihre Ziele sind. Demnächst dürfen wir hoffentlich weiter Mitglieder begrüßen. Jeder ist herzlich Willkommen, uns kennenzulernen und dabei zu sein.
Wie ist die Resonanz, die ihr bisher aus der Community für eure Initiative erfahrt?
Yvonne Kalthöfer: Vor dem Launch unserer Website waren wir sehr nervös und haben auch viel darüber diskutiert, wie wir mit eventuellen Anfeindungen oder negativem Feedback umgehen können und wollen. Aber das Gegenteil war dann nach dem Launch von #hrespect der Fall: Wir haben sehr viel Zuspruch bekommen und waren ganz überwältigt von dem vielen positiven Feedback!
Wir wurden beim Launch vom Saatkorn-Podcast von Gero Hesse und vielen Artikeln beispielsweise im Human Resources Manager Magazin und der Personalwirtschaft begleitet und unterstützt. Dies hat geholfen, die Sichtbarkeit des Projekts zu erhöhen. Viele haben geliked, geteilt und kommentiert. Ganz besonders haben wir uns darüber gefreut, dass gleich viele Anfragen von anderen HRler:innen kamen, die mitarbeiten und die Initiative vorantreiben wollen. Das macht uns viel Mut, dass wir auf dem richtigen Weg sind und das Projekt eine Veränderung anstoßen kann.
Habt ihr selbst auch Erfahrungen mit Diskriminierung, Rassismus oder ähnlichem gemacht?
Andisheh Ebrahimnejad: Als woman of colour mit einem eindeutig nicht-deutschen Namen ist es beinahe unmöglich rassismusfrei durch das Berufsleben zu gehen. Das frustrierendste für mich ist die Reaktion, mit der man oft konfrontiert wird, wenn man versucht die Person auf sein/ ihr rassistisches Verhalten aufmerksam zu machen. Abwehrhaltung und Victim Blaming statt Empathie und Einsicht. Es ist unfassbar schwer, wenn die Gegenseite in die Abwehrhaltung geht. ‘Das war doch nicht so gemeint!’ oder ‘Darf man jetzt gar nichts mehr sagen?!’ sind die häufigsten Reaktionen, die ich erlebe. Früher fühlte ich mich sogar dadurch oftmals schlecht und bereute, das Thema überhaupt angesprochen zu haben. Heute gehe ich damit sehr direkt um und spiegele meinem Gegenüber das Verhalten. Ich versuche deutlich klarzumachen, warum ich das Verhalten nicht tolerieren möchte. Sowohl als Betroffene als auch als HRlerin ist mir das sehr wichtig.
Curley Fiedler: Leider kenne ich das Thema Rassismus im Arbeitsumfeld, auch wenn nicht ich direkt betroffen war. Sehr früh in meiner Karriere betreute ich im Recruiting eine Stelle, bei der mir der Fachbereich deutlich zu verstehen gab, dass man deutsche Bewerber:innen vorziehen würde. Als junge HRlerin war ich damit überfordert: Was sage ich nun? Gehe ich zu meinem Vorgesetzten? Was darf und was muss ich als HR tun?
Mit dieser Erfahrung stehe ich nicht alleine da. In Gesprächen mit anderen Personaler:innen habe ich gemerkt, wie oft es doch passiert und wie viel Platz Rassismus im Recruiting und anderen HR-Prozessen einnimmt. Und dass die meisten Leute nicht wissen, wie sie sich in einer solchen Situation richtig verhalten sollen – unabhängig von ihrer Berufserfahrung.
Wie geht ihr mit solchen Situationen um? Habt ihr Tipps für Betroffene?
Andisheh Ebrahimnejad:
Um ehrlich zu sein: Ich habe keinen Geheimtipp oder eine Zauberformel für Betroffene. Ich wünschte, ich könnte sagen “direkt zum Betriebsrat oder HR gehen, dort wird dir geholfen.” Es ist letzten Endes nicht die Aufgabe des Betroffenen aus so einer hilflosen Situation zu entkommen. Sondern es ist die Aufgabe des Arbeitgebers seiner Fürsorgepflicht nachzukommen und ein Klima zu schaffen, in dem Betroffene erst gar nicht solchen Situationen ausgesetzt werden. “Einfach ignorieren, lächeln und weitergehen.”- dachte ich mir viel zu oft. Wenn man täglich mehrmals solchen Situationen ausgesetzt ist, fehlt einem irgendwann die Kraft, das Thema anzusprechen.
Schweigen scheint auf dem ersten Blick die einfachste Lösung zu sein, aber definitiv nicht die beste!
Was ich empfehlen kann ist offener und klarer Widerspruch. Es ist wichtig unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, warum das Verhalten nicht richtig ist und was es bei Betroffenen auslöst. Dafür braucht es viel Mut und Ausdauer. Ganz wichtig ist auch, die Schuld nicht bei sich zu suchen. Betroffene Personen haben diese Situationen nicht verursacht und es ist nicht ihre Verantwortung Aufklärungsarbeit zu leisten. Ruhig und sachlich zu bleiben, hilft in solchen Situationen, ist aber einfacher gesagt als getan.
Curley:
Reden! Ich hatte in der vorherigen Frage von einer meiner Erfahrungen berichtet und ich bin heute froh, dass ich damals laut geworden bin. Ich habe mich dagegen entschieden, zu meinem Vorgesetzten zu gehen und dafür entschieden, den Fachbereich auf das Geschehen anzusprechen – und es war das Beste, das ich hätte machen können in dem Moment.
Ich habe klar gesagt, dass ich nicht so arbeite, habe mich positioniert und bin mir damit treu geblieben. Und wenn du dich nicht traust, alleine laut zu werden, hol dir Unterstützung von einem Teammitglied oder einer anderen Person, der du vertraust. Vor allem als eine nicht von Rassismus betroffene Person ist nichts machen und schweigen in meinen Augen keine Option! Wenn man still ist, macht man sich mit rassistischen Positionen und Denkweisen gemein – das sollte man sich immer vor Augen führen.
Wie können HRler und Führungskräfte eine inklusive, offene Unternehmenskultur schaffen?
Jess Koch: Personaler – also HR – müssen das Thema angehen und „besprechbar“ machen. Denn: Wir alle haben Rassismen verinnerlicht. Und es geht hier nicht um Finger Pointing, sondern um ein gemeinsames Sensibilisieren, Reflektieren und auch den gemeinsamen aktiven Umgang damit, sich dem Thema zu stellen. Wir sitzen alle in demselben Boot… Und man fängt ja bekanntlich immer am besten bei sich selbst an. Also sollte HR und sollten Führungskräfte sich selbst erst einmal in Augenschein nehmen. Denn Hand aufs Herz: Schauen wir doch mal in in die HR Abteilungen hier im Lande – wie bunt, wie diverse geht es da zu? Doch eher weiß und weiblich, oder? Somit sollte man sich erst einmal mit den eigenen Rassismen auseinandersetzen und sich fragen, ob die Dinge wirklich so bleiben sollen wie sie gerade sind oder ob man da nicht das ein oder andere ändern möchte.
Eine weitere Sache ist: Null Toleranz bei rassistischen Äußerungen und Verhaltensweisen. Nach innen wie außen. Unternehmen müssen Stellung beziehen, müssen sagen was ist bzw. was nicht sein darf. Und das jeden Tag. Das mag unbequem sein, ist aber notwendig. Veränderungen tun immer auch etwas weh, vor allem weil man dabei nicht alles und jeden mitnehmen kann. Aber wir müssen diesen Weg gehen, sonst kommen wir nie an…
Eine dritte Sache sind – ganz profan und klassisch – Anti-Rassismus-Trainings. Wer da Anregungen braucht, kann sich gern bei uns melden.
Gerade in Konzernen herrscht oft eine gewisse Anonymität. Wie kann HR hier für ein gutes, respektvolles Miteinander sorgen und eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen, in der sich Betroffene und Beobachter trauen, Fälle von respektlosem Verhalten anzusprechen?
Eva Stock: Ich glaube es ist wichtig, “Schutzräume” für Betroffene aufzumachen, damit diese sich überhaupt trauen, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Das können bestimmte Institutionen sein, bspw. Vertrauens-Mitarbeiter:innen oder eine bestimmte Stelle, die den Betroffenen Gehör gibt und auch im Zweifel Anonymität wahrt, wenn dies gewünscht wird. Aber auch solche Institutionen müssen in einen Gesamtkontext eingebettet werden. Wenn die Unternehmenskultur keine Offenheit lebt und suggeriert, dass “immer alles okay ist und wir doch alle so toll miteinander zusammenarbeiten”, wird es von Rassismus oder Diskriminierung betroffenen sehr schwer gemacht, darüber zu reden.
Gerade dann, wenn das Unternehmen doch “eigentlich” schon “multi-kulti” ist und sich auch dafür feiert, heißt das nicht, dass es frei von Rassismus ist. Da muss man auch den ein oder anderen Blocker in den Köpfen des Managements lösen. Auch ist eine Prozesstransparenz sehr wichtig.
Klar, jeder Fall ist individuell, aber wenn Betroffene oder Beobachter:innen nicht wissen, wie nächste Schritte aussehen könnten, sobald sie etwas melden, sinkt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie es tun. Es ist also ein Gesamtkontext aus Unternehmenskultur, klaren Prozessen und dem Raum, der überhaupt für das Thema ansich und für die Betroffenen geöffnet wird. Eine Abteilung zu bilden, auf der “Diversity & Inclusion” draufsteht und dann zu denken, damit wäre es getan – so einfach ist es eben nicht.
Was für next Steps plant ihr mit der Initiative?
Eva Stock: Wir waren ehrlich gesagt erst einmal überwältigt von der ersten Resonanz auf #hrespect. An Likes und Zuspruch hat es uns nicht gefehlt. Allerdings lebt so eine Initiative natürlich davon, dass sie aufgegriffen und weitergetragen wird. Hier läuft es langsamer an, als wir im Vorhinein dachten. Sich konkret zu beteiligen scheint momentan noch eine Hürde darzustellen. Dabei ist es ja auch recht einfach, indem man – wie ihr das gerade mit uns macht – unsere Initiative z.B. vorstellt oder gerne auch einen Beitrag dazu für unseren Blog oder unsere Postingwall leistet. Oder, so wie Cawa Younosi, Janina Kugel und Gero Hesse, unser Shirt zu tragen und dies auf Business-Netzwerken und Social Media zu teilen.
Wir haben gerade eine LinkedIn-Gruppe gegründet und planen, den Austausch dort noch zu verstärken. Aber auch hier warten wir noch ein wenig auf proaktive Personaler:innen. Mal sehen, wie das weitergeht.
Yvonne Kalthöfer: Wir wollen aber vor allem, dass Personaler:innen im eigenen Unternehmen besser auf das Thema Rassismus, Diversität und Diskriminierung schauen und sich selbst hinterfragen. Dazu wollen wir in Zukunft auch noch mehr anbieten. Da wir als Kernmitglieder aber alles in unserer Freizeit stemmen, geht vielleicht alles etwas langsamer als unter hochprofessioneller Flagge. Wir freuen uns daher jederzeit über Anregungen oder Mitstreiter:innen.
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