Vanessa, du bist gelernte Luftverkehrskauffrau und nach Stationen bei Accenture nun Programm Director bei Futury.

Das klingt nach einem spannenden Werdegang – was waren deine drei wichtigsten Stationen bisher?

Ich würde sagen genau in der Reihenfolge. Am Flughafen habe ich als 18-Jährige das ‚richtige Leben‘ kennenlernen dürfen, d.h. wie funktioniert eigentlich ein Unternehmen und welche unterschiedlichen Fähigkeiten und Menschen braucht es, um erfolgreich zu sein. Ich erinnere mich noch sehr gut an Situationen mit den ‚Arbeitern on the ground‘, die mir die Augen öffneten in Bezug auf Perspektiven im Leben.

Danach kam mit 25 Jahren meine aufregende Zeit als Beraterin bei Accenture, wo ich über 14 Jahre tätig war. Hier konnte ich viel über Stakeholder- und Veränderungsmanagement lernen, da alle Projekte immer mit dem Einführen von neuen Organisationen, Abläufen und Tools zu tun hatten und damit auch ein klarer Fokus auf der ‚People Seite‘ lag.

In meiner aktuellen Rolle bei Futury geht es um das Thema Innovation und noch viel mehr darum, wie man junge Menschen darin unterstützen kann ihre eigenen Geschäftsideen zu verfolgen und sie schließlich zum Gründen ihrer eigenen Firma zu animieren. Ein solides Netzwerk und der Spirit neue Dinge auszuprobieren sind Erfahrungswerte, die ich aus dieser Zeit mitgenommen habe.

Zusammengefasst hatte ich auf allen meinen Stationen immer mit People, Transformation und Innovation zu tun!

Futury – das klingt zukunftsweisend! Was genau macht ihr?

Ja, genau das ist es! Der Name leitet sich aus den beiden Worten ‚Future‘ & ‚Factory‘ ab, d.h. wir sind eine Zukunftswerkstatt. Genau genommen sind wir eine „early-stage“ Gründungs- und Innovationsplattform, die gemeinsam mit unterschiedlichen Unternehmenspartnern Innovationsprojekte im deutschen Markt durchführt – dabei kooperieren wir zum Beispiel mit der Deutschen Bank, Kaufland, SEAT, der Allianz Deutschland AG und dem FC Bayern München.

Jedes Projekt beginnt mit einer Fragestellung oder einer Herausforderung unserer Unternehmenspartner im Bereich Nachhaltigkeit und Innovation, die wir in eine Projektform überführen und an Universitäten in ganz Deutschland und am „Gründermarkt“ ausschreiben. Für unsere Projekte suchen wir dabei nach jungen Talenten, die sich den Herausforderungen mit eigenen Ideen und Konzepten widmen und gemeinsam im Team bei uns die Zukunft aktiv mitgestalten möchten. In der „Futury Innovators Academy“ entwickeln dann die Teams in einem strukturierten, dreimonatigen Gründungs- und Innovationsprogramm ihre Idee von einem ersten Konzept bis hin zu einem finalen Business Case.

Welche drei Fragen stellst du im Bewerbungsprozess, um herauszufinden, ob die Kandidaten zu Futury passen?

Warum möchtest Du in einem Start-up arbeiten?

Was ist für Dich in Deinem zukünftigen Job wichtig? Was brauchst Du, um erfolgreich und für Dich zufrieden mit der Arbeit zu sein?

Wir arbeiten mit vielen Stakeholdern gleichzeitig (Corporate Partner, Knowledge Partner, Teams etc.). In unserem agilen und kurzweiligen Projektumfeld kommt es so regelmäßig vor, dass Partner/Teams unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen und nur schlecht eine Einigung herbeigeführt werden kann. In der Rolle als zukünftiger Projektleiter gehört das Managen von unterschiedlichen Interessen zum Tagesgeschäft – wie würdest Du mit solch einer Situation umgehen? Was wären Deine konkreten nächsten Schritte?

Kannst du uns von einem aktuellen Projekt berichten, in dem junge Talente mit ihren innovativen Ideen einem etablierten Unternehmen neuen Schwung gegeben haben?

Ja, wo sogar ein Team gleich mehreren Unternehmen mit ihrer Geschäftsidee geholfen hat. Wir sprechen vom Team recyda, welches ein Online-Tool entwickelt hat, um der Verpackungsindustrie Hilfestellung bei Fragen rund ums Recycling zu geben und damit umweltbewusster zu produzieren. Kern der Lösung ist eine Datenbank, in der alle Informationen rund um Vorschriften, Gesetze, Infrastruktur und Vorgängen des Recycling-Geschehens in möglichst vielen Ländern der Welt abgebildet sind. Mit der Software können Produktionsunternehmen ihre Verpackungen für den Export in bestimmte Länder so zusammensetzen und produzieren, damit diese dort auch in den Recycling-Kreislauf gelangen. Eine geniale Idee, die ein konkretes Problem löst und so in der Industrie noch nie umgesetzt wurde.

 

Eine geniale Idee, die ein konkretes Problem löst und so in der Industrie noch nie umgesetzt wurde.

Wie sieht aus deiner Sicht das Design von Geschäfts- und Organisationsmodellen der Zukunft aus?

Das Geschäftsmodell der Zukunft löst konkrete Probleme und vereinfacht. Der Mehrwert eines Geschäftsmodells ist für den Konsumenten meist höher als der Anschaffungspreis bzw. das Honorar. Anschaffungen sind heutzutage anfangs meist immer noch kostenfrei. Erst durch Sonderfunktionen oder Sonderleistungen geschieht die tatsächliche Monetarisierung. Gute Beispiele dafür sind klassische ‚as-a-service/pay per use‘ Modelle oder auch Marktplätze, die als Evolutionsstufe des E-Commerce neue Plattform Marktakteure zusammenbringen, wobei der Marktplatzanbieter lediglich die Technik, die Reichweite und wertvolle Daten zur Verfügung stellt.

Das darauf basierende Organisationsmodell ist ein flexibles Modell. Flexibilisierung bedeutet allerdings mehr als nur Strukturveränderung. Kultur, Führung, Prozesse und Technologie sollten die Vision von Flexibilität fördern und die Teams innerhalb der Organisation befähigen.

Bei etablierten Unternehmen könnte so ein Wandel über einzelne Arbeitsbereiche, die weitgehend unabhängig von grundlegenden Geschäftsprozessen sind, umgesetzt werden. In kleinen Unternehmen, wie z.B. Start-ups entwickelt sich die Organisation in der Regel zusammen Hand in Hand mit dem organischen Wachstum.

Welche konkreten fünf Schritte können Unternehmen schon heute umsetzen, um ihr Organisationsmodell in diese Richtung umzukrempeln?

Veränderung wird für mich durch Leadership und ‚Leading by example‘ etabliert. Das heißt unabhängig von dem Organisationsmodell, würde ich folgende Handlungsempfehlungen sehen:

1. Eine gemeinsame Vision und Zielorientierung erarbeiten und damit ein Mitverantwortungsgefühl generieren
2. Ein Umdenken in der Führung hin zu ‚employee empowerment‘ anstoßen, d.h. Mitarbeiter vorrangig motivieren und befähigen, anstatt nur zu delegieren und zu kontrollieren
3. Talente der neuen Generation nutzen, z.B. in die Unternehmensentwicklung oder über „Reverse Mentoring“ einbinden
4. Kollaborations- und Technologieplattformen einführen und zum Leben erwecken (zum Beispiel mit der Software Miro)
5. Die Freiheit für „Trial & Error“ in neuen Prozessen und Arbeitsweisen forcieren und visible in der Organisation machen

Welche Unterschiede gibt es dabei bei KMUs und Konzernen?

Die Innovationsfähigkeit von Unternehmen ist in besonderem Maße durch deren personelle und organisationale Merkmale bestimmt. So können KMUs oftmals eine ausgeprägte Innovationstätigkeit vorweisen, die u.a. mit einem geringen Formalisierungsgrad, flachen Hierarchien, dem persönlichen Kontakt zwischen den Mitarbeitern und Unternehmern sowie mit der direkten Nähe zum Kunden zu erklären ist. Diese Vorteile kommen dort zum Tragen, wo es auf spezialisiertes, marktnahes Wissen ankommt. Innovationstätigkeiten von KMUs finden in den laufenden, operativen Prozessen statt und werden aus unterschiedlichen Funktionsbereichen stammenden Technikern, Ingenieuren, Meistern und anderen qualifizierten Mitarbeitern in erster Linie im Sinne einer Weiterentwicklung betrieben.

Konzerne im Vergleich setzen häufig auf eigene Innovationsabteilungen oder sogenannte Innovation Hubs, die wie eine Keimzelle fungieren, disruptive Ideen hervorbringen und im besten Fall dann in die Konzernstruktur integrieren. Diese organisationalen Strukturen sind häufig informell geprägt, divers besetzt und operieren zu einem gewissen Grad an der Hierarchie vorbei – ähnlich wie ein Start-up.

Um hier erfolgreich zu sein bedarf es eines starken Sponsorships des Topmanagements als auch die Legitimation unabhängig von der klassischen Konzernstruktur zu handeln z. B. bei kompetenzbasierten Sourcing.

    Ein agiles Geschäfts- und Organisationsmodell ist Key für nachhaltigen Unternehmenserfolg. Wie sollte die Zusammenarbeit zwischen HR, Transformation und Innovation aussehen, um Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen?

      Unternehmen, die innovationsfähig bleiben und schneller auf Marktveränderungen reagieren wollen, brauchen ein Personalmanagement, das eine innovationsförderliche Führung und Zusammenarbeit zu den Prioritäten seiner Personalarbeit zählt.

      Daneben muss das Topmanagement klare Signale geben, dass innovationsorientiertes Handeln gewollt ist und gefordert wird. Führungskräfte und Personaler sollten eng hier zusammenarbeiten und so z.B. die Grundlage für neue Führungsrollen/-qualifizierungen schaffen, wie z.B. die Rolle eines Change Managers oder Innovators. Seine/ihre Aufgabe ist es, ganzheitliche Veränderungsprozesse zu steuern, Querdenken zu fördern und ein konstruktiv-vertrauensvolles Umfeld zu schaffen, in dem aus Fehlern gelernt werden kann. Auch die Rolle des Talent Managers und Coachs stellt einen neuen Ansatz der Führung und Begleitung von Mitarbeitern dar, der Raum für Innovationen zulässt und fördert.

       

        Biografie

        Vanessa Kaempf, Futury

        Die 42-jährige Vanessa Kämpf wuchs in Frankfurt am Main auf. Bei der Fraport AG machte sie zunächst eine Ausbildung zur Luftverkehrskauffrau, bevor sie ein Part-time Studium in International Business Administration (BA) absolvierte und 2005 einen MBA an der Bond University in Australien abschloss. Von 2005 bis 2015 war sie Senior Manager Management Consulting bei Accenture mit dem Industriefokus Consumer Goods & Retail sowie inhaltlich im Bereich Strategie/Operating Model Design/Change Management. Später stieg sie zum Senior Manager / Operations & Program Management (‚Assistenz der Geschäftsführung‘) auf. 2017 bis 2019 war sie Senior Manager im M&A Bereich bei Accenture. Seit 2019 ist sie Programm Director bei Futury.

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