Cross Innovationen für nachhaltige Geschäftsmodelle

Nachhaltigkeit bleibt Trend, Anspruch und Notwendigkeit in der deutschen Wirtschaft. Dr. Daniel Strecker, Gruppenleiter der Forschungsgruppe „Geschäftsmodelle: Engineering und Innovation“ am Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW in Leipzig befasst sich damit, wie Unternehmen nachhaltige Geschäftsmodelle entwickeln. Sein Ansatz passt wunderbar zur COPETRI-Mission „Bridging Perspectives“: Cross Innovationen!

DANIEL, DU BESCHÄFTIGST DICH MIT NACHHALTIGEN GESCHÄFTSMODELLEN. AUF WELCHEN ASPEKT VON NACHHALTIGKEIT BEZIEHST DU DICH DABEI: ÖKOLOGIE, ÖKONOMIE ODER SOZIALES?

Wir beziehen uns explizit auf alle drei Dimensionen von Nachhaltigkeit. Es zeigt sich immer mehr, dass diese drei nicht mehr getrennt voneinander zu betrachten sind. Wenn wir ökologisch nachhaltig handeln wollen, muss das auch ökonomisch sinnvoll sein, sonst ist es nicht marktfähig. Und ökonomische Anforderungen sind nur zu erfüllen, wenn soziale Aspekte beachtet werden. So beschränken sich nachhaltige Innovationen ja nicht auf technologische Neuerungen. Es geht dabei immer um die Menschen, die Innovationen entwickeln und damit arbeiten.

EUER ANSATZ HEISST CROSS INNOVATIONEN. DAS HEISST, NEUE ENTWICKLUNGEN AUS ANDEREN BEREICHEN UND BRANCHEN AUF DAS EIGENE BUSINESS ZU ÜBERTRAGEN. WIE KANN DAS IN DER PRAXIS FUNKTIONIEREN?

Dazu gebe ich am besten zunächst ein Beispiel: Ein Start-up des Fraunhofer WKI hatte sich zum Ziel gesetzt, Stand-up-Paddle-Boards nachhaltig zu produzieren. Denn obwohl es sich hierbei um eine ökologisch verträgliche, naturnahe Aktivität handelt, landen herkömmlich produzierte Boards oft im Sondermüll. Es entstand ein SUP-Board aus einem speziellen Holzschaum und mit einer Beschichtung, die umweltfreundlich, aber auch langlebig ist und alle technischen Anforderungen erfüllt. Das Fraunhofer IMW unterstützte damals die Crowdfunding-Kampagne des Forschungsteams. Das entwickelte Beschichtungsmaterial lässt sich für viele andere Produkte sinnvoll nutzen. Genau darum geht es bei Cross Innovationen: Bestehende Lösungen kreativ und zielorientiert auf andere Anwendungen und Branchen zu übertragen. Unternehmen können auf diese Art von vorhandenen Erfahrungen profitieren und ihren Forschungs- und Entwicklungsaufwand gegebenenfalls deutlich reduzieren.

zDER KNACKPUNKT DÜRFTE SEIN: WIE ERFAHRE ICH DAVON, DASS JEMAND BEREITS EINE LÖSUNG FÜR MEIN PROBLEM HAT?

Ja, das ist ein entscheidender Punkt. Für viele Herausforderungen, vor denen Unternehmen stehen, gibt es bereits spannende Lösungen. Dies gilt nicht nur für neue Werkstoffe, sondern zum Beispiel auch für die Nutzung von digitalen Zwillingen (die Repräsentation realer Objekte in der digitalen Welt – die Red.). Allgemein rücken die Branchen viel näher zusammen. Doch um von den Lösungen zu erfahren und zu prüfen, ob sie für mein Business passen, müssen Unternehmen ihr Innovationsökosystem kennen und aktiv weiterentwickeln. Gerade der Mittelstand ist wegen fehlender Ressourcen oft noch sehr auf sein unmittelbares Umfeld und das operative Tagesgeschäft konzentriert. Dabei lässt sich vielleicht schon bei den Zulieferern oder in der Region Neues entdecken und für das eigene Geschäftsmodell nutzen. Wir brauchen Offenheit, Treffpunkte und Austauschmöglichkeiten, um die Potenziale für Cross Innovationen entdecken und nutzen zu können.

DURCH DIE DIGITALISIERUNG MÜSSTE ES DOCH EINFACHER SEIN, SICH VIRTUELL ZU TREFFEN UND AUSZUTAUSCHEN. WELCHE MÖGLICHKEITEN GIBT ES HIER? ODER BRAUCHEN WIR NEUE DIGITALE PLATTFORMEN UND FORMATE?

In Zeiten der Digitalisierung bleibt der persönliche Austausch sehr wichtig. Meine Empfehlung ist es, sich an bestehende Formate anzuschließen und diese zu stärken. So bieten etwa die Wirtschaftsförderungen, Verbände und Handelskammern bereits vielfältige Möglichkeiten. Auch bei der Fraunhofer-Gesellschaft gibt es Plattformen wie „Technologie sucht Anwendung“ oder die Crowd Innovation Plattform des Fraunhofer IMW. Events wie die COPETRI CONVENTION 2022 sind ebenfalls sehr hilfreich, um die Vernetzung zu stärken und den „Blick über den Tellerrand“ zu ermöglichen. Meinen Kollegen Julian Heinrich und mich hat der Ansatz, die Themen Innovation, People und Transformation zu verbinden, sehr angesprochen.

IHR BEIDE HABT AUF DER COCON DEN ANSATZ DER CROSS INNOVATIONEN VORGESTELLT. WIE WAREN DIE REAKTIONEN AUS DEM PUBLIKUM?

Es gab zum Beispiel die Nachfrage, wie wir selbst uns als Forschende vernetzen und das Fraunhofer IMW Unternehmen bei Cross Innovationen konkret unterstützen kann. Wir arbeiten als sozio- und technoökonomisches Institut in vielen Projekten eng mit technologisch ausgerichteten Fraunhofer-Instituten zusammen, pflegen unsere Netzwerke in Wirtschaft und Politik. Das macht uns zu einem Projektpartner, der Trends frühzeitig erkennen kann und Unternehmen bei dem beschriebenen „Blick über den eigenen Tellerrand“ begleitet und unterstützt. Vor Ort am Fraunhofer IMW in Leipzig und digital laden wir außerdem Unternehmen in die Offene Werkstatt Leipzig des Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0 eStandards ein. Hier geht es vor allem darum, mittelständische Unternehmen durch kostenlose Informations-, Schulungs- und Vernetzungsangebote fit für ihre digitalen Möglichkeiten und neuen Geschäftsmodelle zu machen. Daneben war die CoCon22 auch für uns selbst sehr lohnend. Es gab zahlreiche weitere interessante Formate zu unseren Themen Nachhaltigkeit und Innovation. Wir haben viele spannende Einzelgespräche geführt und neue hilfreiche Kontakte geknüpft. Der Austausch mit den Expertinnen und Experten aus dem HR-Bereich hat unseren Horizont erweitert. Die lockere Atmosphäre und die tolle Location haben dazu beigetragen, im Kopf offen zu sein. Gleichzeitig hatten die Programmpunkte fachlich ein hohes Niveau. Vielen Dank dafür!

Daniel, das freut uns sehr! Vielen Dank für das Gespräch!