Agiles Arbeiten und Rechtssicherheit

Rechtsanwältin Britta Redmann unterstützt Unternehmen dabei, agiles Arbeiten und Rechtssicherheit miteinander in Einklang zu bringen. Das kann herausfordernd sein, denn das Bedürfnis nach Flexibilität prallt mitunter auf starre gesetzliche Regelungen. Im COPETRI-Interview berichtet Britta, welche verzwickten Aufgaben sich stellen.

BRITTA, AGILES ARBEITEN WIRFT VIELE FRAGEN DER RECHTSICHERHEIT AUF. WAS SIND AKTUELL DIE TYPISCHEN STOLPERFALLEN FÜR UNTERNEHMEN?

Ein wichtiges Thema ist auch hier das mobile Arbeiten. Nachdem es sich innerhalb Deutschlands durch die Pandemie etabliert hat, gibt es nun einen neuen Trend: Das Homeoffice ins Ausland zu verlagern. Doch das ist rechtlich gar nicht so einfach.

WELCHE PROBLEME ERGEBEN SICH DABEI?

Vor allem in Bezug auf die Sozialversicherungen entstehen Risiken. Bei bis zu 30 Arbeitstagen im Ausland ändert sich noch nicht viel. Doch darüber hinaus ergeben sich Fragen: Bin ich im Ausland noch krankenversichert? In welches Rentensystem fließen die Rentenbeiträge ein, wenn ich gar nicht in Deutschland arbeite? Welches Arbeitsrecht gilt jetzt überhaupt? Im schlechtesten Fall zahlen Arbeitgeber:innen Beiträge doppelt oder Arbeitnehmer:innen verlieren Rentenansprüche. Das Thema ist sehr komplex. Schon innerhalb Europas gibt es keine einheitliche Regelung. Im Grunde muss man jedes einzelne Land betrachten, von dem aus Mitarbeiter:innen mobil tätig werden wollen.

WAS IST ZU BEACHTEN, WENN ICH VON AUSSERHALB EUROPAS AUS ARBEITEN MÖCHTE?

Neben den bereits genannten Fragen stellen sich nun noch weitere. Nehmen wir zum Beispiel ein Land wie Südafrika oder die Kapverden: Wer hier sein Homeoffice aufschlagen will, braucht unter Umständen eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, je nachdem, wie lange er oder sie bleibt. In anderen Kulturen und Religionen gibt es zudem völlig andere Feiertage. Nach unserem Arbeitsrecht darf an Feiertagen nicht gearbeitet werden. Aber welche gelten denn nun? Unternehmen sind hier sehr gefordert, Rechtssicherheit zu schaffen. Die Nachfrage von Seiten der Arbeitnehmer:innen steigt und es gibt auch immer mehr Reiseanbieter:innen, die diese Zielgruppe bedienen. Und es ist ja auch eine wirklich coole Sache, von woanders aus zu arbeiten. Viele Unternehmen wollen daher diese Möglichkeit anbieten, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein.

EIN SPEZIELLER FALL DES MOBILEN ARBEITENS SIND SOGENANNTE WORKATIONS, EINE KOMBINATION VON ARBEIT UND URLAUB. WIE SIEHT DIE RECHTSLAGE HIER AUS?

Die Rechtslage ist hier genau die gleiche wie oben geschildert. Allerdings ergeben sich gegebenenfalls längere Abwesenheitszeiten in Gänze: zum Beispiel, wenn ich drei Wochen mobil arbeite und vorher oder nachher zwei Wochen Urlaub mache. Workation ermöglicht daher insgesamt einen längeren Aufenthalt im Ausland in der Kombi Arbeit und Urlaub.

MOBILES ARBEITEN IM AUSLAND IST EIN AKTUELLER TREND. GIBT ES AUCH DAUERBRENNER, DIE UNTERNEHMEN SCHON LÄNGER BESCHÄFTIGEN?

Auch das Thema hybrides und mobiles Arbeiten innerhalb Deutschlands bleibt wichtig. Hier empfehle ich Unternehmen, die einen Betriebsrat haben, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, um Rechtssicherheit herzustellen. Wenn es einen Betriebsrat gibt, muss dieser zwingend einbezogen werden. Denn alle Regelungen, wie mobiles Arbeiten im Unternehmen gestaltet werden soll, sind mitbestimmungspflichtig.

VIELE GESETZLICHE REGELUNGEN WURDEN ZUM SCHUTZ DER ARBEITNEHMER:INNEN GESCHAFFEN. NUN GIBT ES EINEN ZUNEHMENDEN BEDARF AN FLEXIBILITÄT. WIE SOLLTEN WIR MIT DIESEM ZWIESPALT UMGEHEN?

Die gesetzlichen Regelungen sind mitunter recht starr, zum Beispiel in Bezug auf die Arbeitszeit. So ist eine Ruhezeit von elf Stunden vorgeschrieben. Wenn aber jemand zum Beispiel früh morgens anfängt zu arbeiten, dann eine mehrstündige Familienpause einlegt und sich abends nochmal spät an den Rechner setzt, müsste er oder sie am nächsten Tag später anfangen. Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen wünschen sich in vielen Fällen mehr Flexibilität. Hier wäre mehr Raum für individuelle Lösungen und Vereinbarungen wünschenswert. Dies betrifft zum Beispiel auch die Erreichbarkeit von Mitarbeiter:innen. Hier gibt es sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Der eine braucht den Schutz durch klare Abschaltzeiten, die andere möchte selbst entscheiden. Hier kann schon viel individuell verhandelt und vereinbart werden – doch dabei sollte der gesetzliche Rahmen bekannt sein und eingehalten werden.

SICHER IST ES FÜR UNTERNEHMEN SCHWIERIG ZU ERKENNEN, WELCHE GESETZLICHEN REGELUNGEN BEI AGILEM ARBEITEN RELEVANT SIND. DOCH NICHT ALLE HABEN GROSSE BUDGETS FÜR EXTERNE BERATUNG. WAS BIETEST DU KLEINEREN UNTERNEHMEN AN?

Eine langfristige Begleitung ist nicht immer nötig. Ich fange damit an, gemeinsam mit dem Unternehmen Ziele und den Bedarf zu klären. Wir entwickeln dann gemeinsam einen Fahrplan, den die Mitarbeiter:innen selbständig umsetzen. Dabei kann schon ein Workshop helfen. Wichtig ist zu verstehen, dass wir heute mit vorgefertigten Lösungen oft nicht mehr arbeiten können. Die Situationen in den Unternehmen sind zu komplex und individuell. Sich nicht um Rechtssicherheit zu kümmern, ist aber gar keine Lösung, denn das kann am Ende umso teurer werden und kostet Vertrauen, wenn Regelungen wieder aufgehoben werden müssen, weil sie nicht rechtskonform sind.

Britta, vielen Dank für das Gespräch!